
Kopenhagen. Baut Dänemark seine Küsten bald zu? Oder fördert und entwickelt das Königreich den Tourismus an seiner mehr als 7.000 Kilometer langen Küste? So oder so – nach langen, harten Diskussionen hat die konservative Regierung in der vergangenen Woche die Realisierung von insgesamt zehn küstennahen Projekten erlaubt, die dem Küsten- und Naturtourismus neuen Schwung geben sollen. Entwicklungen dieser Art waren bislang nicht erlaubt, da ein bestehendes Gesetz die dänischen Küsten schützt und einen Abstand von mindestens 300 Metern zum Wasser fordert. Trotz eindringlicher Kritik von Naturschützern und –vereinen wie Danmarks Naturfredningsforening dürfen nun landesweit zehn „Versuchsballons“ in unmittelbarer Küstennähe verwirklicht werden. Das Investitionsvolumen ist nicht nur für dänische Verhältnisse beachtlich und beläuft sich voraussichtlich auf vier Milliarden dänische Kronen (ca. 540 Mio. Euro).
Verantwortlich für die Ausnahmeregelung ist das dänische Wirtschafts- und Wachstumsministerium in Kopenhagen – mit dem konservativen Troels Lund Poulsen von der Partei Venstre an der Spitze. Lund Poulsen freut sich und betont, dass „die zehn Projekte ohne Frage mehr Touristen an die dänischen Küsten locken werden und so Wachstum und auf lokaler Ebene Arbeitsplätze bringen werden. Alle Projekte zeichnet eine hohe Qualität aus (...). Insofern können wir sagen, dass unsere Versuchsphase ein Erfolg ist“.
Die dänischen Kommunen reichten insgesamt 20 Vorschläge für Projekte zur nationalen Küstenentwicklung ein, von denen nun zehn ausgewählte umgesetzt werden sollen.
Das größte Vorhaben entsteht dabei an der Nordseeküste in der Kommune Ringkøbing-Skjern: Der geplante Søndervig Feriepark wird neben Nordeuropas größtem Badeland, Wellnessbereich und anderen Einrichtungen auch 500 neue Ferienhäuser umfassen. Das Investitionsvolumen liegt bei 750 Mio. bis einer Mrd. DKK. Die Macher erhoffen sich vom Ferienpark bis zu 620.000 Übernachtungen ausländischer Gäste.
Deutlich kleiner wird der ebenfalls an der Nordsee gelegene Blåvand Strandpark in der Kommune Varde. Dort sollen 50 Luxusferienwohnungen, ein Wellnesscenter, Restaurant, Boutiquen, Klubhäuser sowie eine naturnahe Promenade entstehen, die bis zum Hvidbjerg Strand führt.
Promenaden dieser Art oder Seebrücken, wie sie beispielsweise in deutschen Ostseeanrainergemeinden zu finden sind, gibt es in Dänemark bislang nicht. Darauf setzen in Zukunft einige dänische Ferienorte, darunter Marielyst auf Falster, das eine 125 Meter lange Pier erhält.
Weitere Neubauvorhaben sind unter anderem ein Ferienresort im Norden von Als mit zwei Hotels und 400 Ferienunterkünften, ein neues Hotel im nordjütländischen Løkken (Løkken Klithotel), ein Besuchercenter am Unesco-Welterbe Stevns Klint auf Seeland sowie das Øhavscenter Christiansminde bei Svendborg auf Fünen. Diese soll Touristen einen neuen Zugang zur Welt des Südfünischen Inselmeeres erlauben und umfasst neben Unterrichtsräumlichkeiten auch eine Promenade, einen Radweg, ein Café, Outdooraktivitäten und mehr.
Ob Dänemark diese Art von Architektur und Attraktionen bislang gefehlt hat? Das ist die entscheidende Frage – und letztlich das subjektive Gefühl eines jeden Reisenden. Ich befürchte immer noch, dass das Urlaubskönigreich mit diesem „Versuch“ sein wichtigstes Alleinstellungsmerkmal angreift: die immer noch weitgehend naturbelassenen, ungestörten Küsten. Ob Dänemark zum Ausgleich für bebauten Naturraum entsprechend viel neue Attraktivität hinzugewinnen kann, wird sich zeigen.
Ella Maria Bisshop-Larsen, die Präsidentin von Danmarks Naturfredningsforening, ist sich in ihrer Stellungnahme jedenfalls sicher: „Diese Projekte sind nicht der Startschuss für mehr Wachstum in der dänischen Provinz, sondern ein Angriff auf einen einmaligen dänischen Wert: die freien Küsten.“
Den Überblick über alle genehmigten Küstenprojekte gibt es hier.