Zwischen Norden und Süden: Das ostfranzösische Montbéliard ist ein idealer Halt zwischen Nordddeutschland und Südfrankreich

Blick auf die Kirche Saint-Maimboeuf und Montbéliard. Foto: Christoph Schumann, 2023
Blick auf die Kirche Saint-Maimboeuf und Montbéliard. Foto: Christoph Schumann, 2023

REPORTAGE Montbéliard/Frankreich (cs). 400 Jahre lang gehörte Montbéliard zu Württemberg – heute ist die ostfranzösische Stadt ein idealer Halt auf halbem Weg zwischen Nordddeutschland und Südfrankreich. Geschichte und Industriegeschichte prägen das Bild des lebendigen Ortes.

 

Mittelalterlicher Kern

„Ich lebe gern in Montbéliard“, lacht Anais Baronnat, während wir auf dem Rundgang vor der Kirche Saint Martin im Herzen der 25.000-Einwohner-Stadt angekommen sind. Das 1604 erbaute Gotteshaus ist heute die älteste evangelische Kirche des Landes (und leider gerade wegen Renovierung geschlossen). „Montbéliard verbindet alt und neu. Es hat einen mittelalterlichen Kern rund um das Schloss hoch oben auf dem Felsen. Gleichzeitig hat es aber viele moderne Seiten wie eine renommierte Musikakademie, Cafés und natürlich das Werk von Stellantis mit dem Peugeot-Museum“, ergänzt die junge Französin, die der Beruf vor zwei Jahren aus dem südlichen Narbonne in den Osten Frankreichs verschlagen hat. Nicht einmal eine Stunde ist es von Basel in der Schweiz, ebensoweit via Mulhouse bis an die deutsche Grenze bei Müllheim.

mehr lesen

Südfranzösische Lebensart rund um Gaillac im Department Tarn – eine Stadt, eine Landschaft und viel Wein

Französischer Klassiker: ein Roadtrip mit dem 2 CV, der "Ente". Foto: PR/ Gregory Cassiau/ Tarn Tourisme
Französischer Klassiker: ein Roadtrip mit dem 2 CV, der "Ente". Foto: PR/ Gregory Cassiau/ Tarn Tourisme

NEWS Gaillac/Tarn. Die ältesten und bekanntesten Weinlagen des Departements Tarn erstrecken sich rund um Gaillac. Das "Gaillacois" ist jedoch mehr als nur ein Weinbaugebiet. Zwischen Wäldern und sonnigen Feldern erheben sich sehenswerte mittelalterliche Dörfer. Belebte Kleinstädte mit Fachwerk, Backsteinarchitektur und Marktplätzen sind Gelegenheit Land und Leute kennen zu lernen. In verstreut liegenden Weingütern werden Gäste willkommen geheißen, sei es für einen Aufenthalt oder nur eine Weinprobe. Und überall herrscht die typisch gastfreundliche Atmosphäre in der man sich sofort wohl fühlt.

mehr lesen

Burgund: Wo Weine ein Welterbesiegel tragen

Aus erster Hand: Winzerin Fanny Roucault im Familien-Weinkeller in Orches. Foto: Christoph Schumann, 2019
Aus erster Hand: Winzerin Fanny Roucault im Familien-Weinkeller in Orches. Foto: Christoph Schumann, 2019

Von Christoph Schumann

 

 

REPORTAGE Beaune. Erst einen Schluck vom Roten? Oder doch etwas vom leichteren Rosé? „Unser Rosé ist seltener“, sagt Fanny Roucault und rät dazu, zunächst den helleren Wein zu verkosten, den wir im Jahrhunderte alten Weinkeller des Weinguts in Orches genießen. Schon in achtzehnter Generation bauen die französischen Winzer in und um den kleinen Bergort, der rund eine halbe Autostunde von Beaune entfernt liegt, hochkarätige Weine an. „Der Rosé ist dabei aber eher eine Seltenheit und wird tatsächlich am meisten von Frauen geschätzt“, lacht Roucault. „Wie fast im ganzen Burgund bildet auch bei uns aber Rotwein den Schwerpunkt“, so die Seniorchefin, während wir aus das französisch Cave genannte Gewölbe ins Tageslicht verlassen.

mehr lesen

Reiseziel für besondere Anliegen: 160 Jahre Wallfahrsort Lourdes

Im Heiligen Bezirk von Lourdes: Blick vom Rosenkranzplatz auf die Rosenkranz-Basilika (unten) und die Basilika Mariä Empfängnis mit ihren drei Türmen (oben). Foto: C. Schumann
Im Heiligen Bezirk von Lourdes: Blick vom Rosenkranzplatz auf die Rosenkranz-Basilika (unten) und die Basilika Mariä Empfängnis mit ihren drei Türmen (oben). Foto: C. Schumann

Lourdes. Einzeln werden die Pilgergruppen begrüßt, die sich an diesem späten Samstag Nachmittag auf dem weiten Prozessionsplatz vor der neo-byzantinischen Basilika Mariä Empfängnis in Lourdes versammeln. Gläubige aus ganz Europa sind darunter, viele Katholiken aus Mittelamerika – und tausende besonders weit gereiste Marienverehrer und -verehrerinnen von den Philippinen, die sich um die gekrönte Marienstatue versammeln. Die Zahl der Fernreisenden steigt im Wallfahrtsort am Fuß der französischen Pyrenäen von Jahr zu Jahr. Dagegen kommen heute spürbar weniger Pilgerzüge oder –busse aus den einst mehrheitlich repräsentierten europäischen Ländern wie Spanien, Italien Deutschland, Österreich oder Frankreich selbst.

mehr lesen

Bergauf wie ein Feuerwehrmann – mit Rennrad und E-Bike in den französischen Pyrenäen

Radsportfans am Rande der "La Route du Sud" am Col des Tentes in 2208 m ü.d.M. Foto: C. Schumann, 2017
Radsportfans am Rande der "La Route du Sud" am Col des Tentes in 2208 m ü.d.M. Foto: C. Schumann, 2017

Luz Saint-Saveur. Die französischen Pyrenäen gehören mit Bergpässen wie dem 2115 Meter hohen Col du Tourmalet zu den Highlights der Tour de France – mit einem E-Bike wird das Erklimmen der Gipfel auch für Radurlauber zum Genuss.

Die einen sammeln Bergpässe und Höhenkilometer. Die anderen Trikots und Rennräder der unvergessenen Stars der Tour de France. Wie Christian Lafont und Jean-Pierre Souvergielle, die beide weit über ihre Heimat in den französischen Pyrenäen hinaus als Botschafter des Lebensgefühls Radfahren gelten.

Der rasende Feuerwehrmann Lafont wurde 2013 Radweltmeister der Brandlöscher in seiner Altersklasse. Doch erst nach 30 Berufsjahren hat der 60-Jährige aus Luchon kürzlich sein Hobby zum Beruf gemacht und ein Radsportgeschäft eröffnet. „Für mich erfüllt sich damit ein Traum“, sagt der drahtige Vielfahrer, der mehrmals pro Woche schon vor Ladenöffnung 160 Kilometer in den Bergen rund um den Thermalort trainiert.

mehr lesen

Die Insel La Réunion: Wo der Indische Ozean den Himmel küsst

Wandern zu den Vulkanen gehört zu den beliebtesten Outdooraktivitäten auf La Réunion. Foto: C. Schumann, 2016
Wandern zu den Vulkanen gehört zu den beliebtesten Outdooraktivitäten auf La Réunion. Foto: C. Schumann, 2016

REPORTAGE St. Denis/La Réunion. Ein verführerischer Duft aus Linsen, Knoblauch, gegrilltem Fleisch, Reis und exotischen Gewürzen durchzieht die Küche von Elourda Severin. Mit gekonnten Handgriffen und gezielten Tipps weist die 54-Jährige ihre weit gereisten deutschen Gäste in die Kochkunst ihrer Heimat ein: „Die kreolische Küche ist unsere einzigartige Kombination aus indischen, afrikanischen, französischen und chinesischen Zutaten. Über alle Schichten, Generationen und Herkunft hinweg verbindet sie die Menschen hier auf La Réunion“, sagt unsere Gastgeberin, die regelmäßig Neugierige zum Table d’Hôtes in ihre Privatküche im Bergort Les Avirons einlädt.

mehr lesen

Der Geist der Cité

Carcassonne: Aufstieg zur Stadtmauer
Carcassonne: Aufstieg zur Stadtmauer

Das südfranzösische Carcassonne besitzt mit der Wasserstraße Canal du Midi und seiner mittelalterlichen Cité gleich zwei Unesco-Welterbestätten - eine Reportage

mehr lesen

Lothringen: Randregion mit Sinn für Kunst und Stil

Luneville. Das französische Lothringen ist reich an alter Handwerkskunst – die Herstellung von Kristall, Glas, Stickerei, Steingut und andere Traditionen können Reisende hautnah erleben

mehr lesen

Stich für Stich für die Haute Couture

Lunéville. Wenn Karl Lagerfeld anruft, schlägt das Herz von Maryvonne Francois-Remy schneller. Denn Aufträge des in Hamburg geborenen Modezaren gehören zu den Lieblingsprojekten der französischen Stickkünstlerin aus Lunéville im französischen Lothringen. „Es gibt einfach nichts Schöneres für mich, als für die Haue Couture zu arbeiten“, sagt die lebenslustige Kunsthandwerkerin. „Denn dann kann ich noch einmal zeigen, wie hochkarätig und fein diese Arbeit ist.“

mehr lesen

„Wir wollen den Frieden gewinnen“ – ein Gespräch mit dem katholischen Militärdekan Bernward Mezger in Hamburg

Militärdekan Bernward Mezger in seinem Arbeitszimmer in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Foto: Christoph Schumann, 2024
Militärdekan Bernward Mezger in seinem Arbeitszimmer in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Foto: Christoph Schumann, 2024

PORTRÄT Hamburg (cs). Ein trüber, regnerischer Freitagmorgen im Januar dieses Jahrs. Der Weg von der Bushaltestelle zur Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg führt vorbei an Apparmenthäusern aus den 1970er Jahren, alten Villen, einem Seniorenheim und einer Pension. Still ist es, außer einigen Bauarbeitern ist auf dem knapp einen Kilometer langen Fußweg im Westen der Hansestadt niemand zu sehen. Als linkerhand der hohe Zaun rund um das parkartige Gelände der militärischen Hochschule auftaucht, sind es nur noch wenige Schritte bis zum Haupteingang der Clausewitz-Kaserne: Der zwischen 1933 und 1936 in Blankenese errichtete Standort ist seit fast siebzig Jahren die wichtigste militärische Ausbildungsstätte für die Aus-, Weiter- und Fortbildung der Bundeswehr.

Dass an diesem ruhigen Ort brennende Themen wie Wehrfähigkeit, Krieg und Frieden verhandelt werden, scheint kaum zu glauben. „So leer wie heute ist es meist nicht“, begrüßt mich Bernward Mezger am Haupteingang der kurz FüAkBw genannten Führungsakademie. Der katholische Militärdekan hat sein Büro gleich neben dem Haupttor in einem Seitenflügel. „Viele Militärangehörige sind schon im Wochenende und einige der Seminare oder Vorlesungen finden online statt“, erklärt der Geistliche, der seit gut acht Jahren das Katholische Militärpfarramt Hamburg II leitet und als Priester neben der Führungsakademie auch für das Landeskommando Hamburg und das Katholische Militärdekanat Kiel zuständig ist. „Wir sind immer erreichbar“ steht an der Tür des 65-jährigen Priesters. Eine Einladung, die Bundeswehrangehörige regelmäßig gern wahrnehmen. Denn der aus dem Ruhrgebiet stammende Mezger hat zwei Aufgaben, die in diesen Tagen mit Diskussionen rund um die von Verteidigungsminister Boris Pistorius angemahnte Kriegstüchtigkeit und Stärkung der Streitkräfte noch mehr Herausforderungen und Anstrengung verlangen als sonst: Als Hochschullehrer gibt der Theologe den den einfachen Soldaten wie den berufserfahrenen Offizieren, die an der Akademie studieren, sogenannten Lebenskundlichen Unterricht (LKU). Dazu ist der langjährige Gemeindepfarrer in Essen Seelsorger für Soldaten, aber genauso auch für deren Familien.

Erster Ansprechpartner in seelischen Krisen

„Es sind nicht unbedingt religiöse Fragen, mit denen die Soldatinnen und Soldaten zu mir kommen“, sagt Bernward Mezger. „Als Militärseelsorger kümmere ich mich erst einmal auch um übliche Gemeindeangebote wie unsere wöchentliche Messe in der Kapelle oder um Taufen oder Heiraten. Schließlich haben viele Militärangehörige Familie oder möchten eine gründen.“ Da sei er vor Ort im Rahmen der Lehrgänge oft erster Ansprechpartner. Auch Hilfe in seelischen Krisen leiste er immer wieder, erinnert sich Mezger: Da seien Trennungen aufgrund der oft jahrelangen Fernbeziehung, die Militärs führten. Oder Auslandseinsätze wie Marinepatrouillen im Mittelmeer. „Ein Schiff nenne ich gern eine seelsorgerische Intensivstation“, sagt Mezger, der selbst einige Wochen auf Fregatte an Bord war. „Den Soldatinnen und Soldaten fehlen nicht nur Partner oder Freunde, sondern schlicht jegliche Privatsphäre. Dazu kommen Routine, Eintönigkeit des Tagesablaufs und Langeweile.“ Angebote zu Gesprächen über „Gott und die Welt“, aber auch gemeinsame Ausflüge in den Häfen oder einfach nur das Wissen um diese Angebote würden dankbar aufgenommen. Noch schwieriger sei seine Rolle natürlich, wenn Soldaten oder Kameraden sterben. Sei es unerwartet an einer Krankheit oder bei einem Auslandseinsatz. Mezger war 2014 selbst mehrere Monate in Afghanistan und weiß deshalb aus eigenem Erleben, wie Leben und Stimmung vor Ort sind: „Anspannung und Stress sind meist groß. Ein offenes, unabhängiges Ohr ist dann ebenso wichtig wie Trauerbegleitung in Todesfällen etwa durch Terroranschläge.“

Die Kapelle in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg steht allen Religionen und Sinnsuchenden offen. Foto: Christoph Schumann, 2024
Die Kapelle in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg steht allen Religionen und Sinnsuchenden offen. Foto: Christoph Schumann, 2024

Nicht Religionsunterricht, sondern Persönlichkeitsbildung

Mezgers zweite Kernaufgabe ist die Lehre. Rund sechshundert angehende und Offiziere in weiterführenden Lehrgängen unterrichtet der Dozent alljährlich, wenn die Führungskräfte der Bundeswehr zum Studium in der Führungsakademie sind, die neben den historischen Hörsälen moderne Universitätsgebäude und Lehrsäle besitzt. Dass im LKU nicht nur religiöse Teilnehmer sitzen, weiß Mezger. In der Bundeswehr sei es nicht anders als in der Gesamtgesellschaft, weniger als die Häfte der Soldaten sei kirchlich sozialisiert. „Aber ich gebe ja auch keinen Religionsunterricht“, umreisst seinen Auftrag, der gleichzeitig sein Anliegen ist: „Was wir anstreben ist Persönlichkeitsbildung, sind Reife und Menschlichkeit.“ Die Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer, meist reflektierte Persönlichkeiten um die dreißig Jahre, sollten einen ethischen und moralischen Kompass entwickeln, der sie in ihrer aktuellen oder kommenden Führungsfunktion zu einem bewussten Handeln anleiten solle. „Leitfrage ist dabei immer: Trage ich durch das, was ich tue, zum Frieden bei? Zu einem gerechten Frieden?“, fasst Bernward Mezger zusammen. Denn Leitmotiv sei immer, den Soldatenberuf als Dienst am Frieden zu verstehen. Dieser müsse darum auf einer friedensethischen Grundordnung stehen.

Die Bundeswehr erwarte mit ihrem Leitbild vom ›Staatsbürger in Uniform‹ Soldaten als Charaktere, die einen gewissensgeleiteten Gehorsam bzw. Führungsstil praktizieren. Gleichzeitig müssen sie bei aller Entscheidungsstärke verantwortungsbewusst und vorbildlich sein. Dazu gehört es, dass sie sich einen Tugendkatalog erarbeiten, im Umgang mit komplexen, moralisch fordernden Situationen geübt sind und mit fragwürdigen Denk- und Verhaltensweisen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr kritisch und wachsam umgehen können, so Mezger. „Dafür bietet unser Unterricht einen vorurteilsfreien Raum zum freien Denken und Reden. Dort ist Platz für Kritik und Auseinandersetzungen, so dass Gedanken und Lösungen frei abgewogen und probiert werden können.“ Die Lehrenden vermittelten dazu einen ethischen, gar nicht mal rein religiösen oder christlichen ›Instrumentenkasten‹: „In allen Lehrgängen sitzen Teilnehmer, die einerseits ein soldatisches Selbstverständnis haben, andererseits aber auch ethische Aspekte der Menschenführung und nicht zuletzt Fundament und Legitimität militärischen Handelns kennenlernen wollen.“

 

Im Ernstfall muss auch Frieden verteidigt werden

Bereits vor sieben oder acht Jahren, nicht lange nach der Besetzung der Krim durch Russland, habe man an der Führungsakademie begonnen, die Frage der „Kriegstauglichkeit“ – noch nicht der Kriegstüchtigkeit – zu stellen. Lange fast vergessen, sei damals die Landes- und Bündnisverteidigungsbereitschaft von Nato bzw. Europa neu gestellt worden. „Das Wichtigste ist dabei immer zu unterstreichen, dass es dabei nie um Gewalt- und Angriffsbereitschaft geht, sondern um Friedfertigkeit“, betont der Militärdekan. „Wir wollen Offiziere, die Frieden bewahren und wiederherstellen.“ Er selbst biete dazu das christliche Prinzip der Gewaltlosigkeit an, wie sie Christus beispielsweise in der Bergpredigt gelehrt habe. Deshalb betone er immer wieder, dass Frieden ein Geschenk Gottes sei. Doch im Zweifelsfall müsse Frieden eben auch verteidigt werden, wenn nicht anders möglich, auch mit der Waffe. „Denn wir haben, auch als Christen, die Verpflichtung, schutzlosen Menschen zu helfen.“ Wie es auch gelte, eine eskalierte Gewalt zu minimieren. Mezger: „Nicht der Krieg soll gewonnen werden, sondern der Frieden.“ Ziel sei immer ein gerechter Frieden. Alles kreise darum um die Frage, welchen Frieden wir wollen: „Was steht uns zu? Was wünschen wir uns?“ Dies wolle er im Rahmen seines Kontakts mit den militärischen Führungskräften vermitteln. Denn die geänderte Rolle der Bundeswehr etwa mit der dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen schon in wenigen Monaten bedeute eine Zäsur, so Mezger: „Damit wird das Verständnis des Soldatenberufs als Dienst am Frieden noch dringlicher. Und nicht nur unsere Soldaten dort fragen sich tagtäglich: Trage ich durch das, was ich tue, zum Frieden bei?“

 

Stand: April 2024, Copyright Text und Fotos: Christoph Schumann, Hamburg 2024

„Wir wollen den Frieden gewinnen“ – ein Gespräch mit dem katholischen Militärdekan Bernward Mezger in Hamburg

Militärdekan Bernward Mezger in seinem Arbeitszimmer in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Foto: Christoph Schumann, 2024
Militärdekan Bernward Mezger in seinem Arbeitszimmer in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Foto: Christoph Schumann, 2024

PORTRÄT Hamburg (cs). Ein trüber, regnerischer Freitagmorgen im Januar dieses Jahrs. Der Weg von der Bushaltestelle zur Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg führt vorbei an Apparmenthäusern aus den 1970er Jahren, alten Villen, einem Seniorenheim und einer Pension. Still ist es, außer einigen Bauarbeitern ist auf dem knapp einen Kilometer langen Fußweg im Westen der Hansestadt niemand zu sehen. Als linkerhand der hohe Zaun rund um das parkartige Gelände der militärischen Hochschule auftaucht, sind es nur noch wenige Schritte bis zum Haupteingang der Clausewitz-Kaserne: Der zwischen 1933 und 1936 in Blankenese errichtete Standort ist seit fast siebzig Jahren die wichtigste militärische Ausbildungsstätte für die Aus-, Weiter- und Fortbildung der Bundeswehr.

Dass an diesem ruhigen Ort brennende Themen wie Wehrfähigkeit, Krieg und Frieden verhandelt werden, scheint kaum zu glauben. „So leer wie heute ist es meist nicht“, begrüßt mich Bernward Mezger am Haupteingang der kurz FüAkBw genannten Führungsakademie. Der katholische Militärdekan hat sein Büro gleich neben dem Haupttor in einem Seitenflügel. „Viele Militärangehörige sind schon im Wochenende und einige der Seminare oder Vorlesungen finden online statt“, erklärt der Geistliche, der seit gut acht Jahren das Katholische Militärpfarramt Hamburg II leitet und als Priester neben der Führungsakademie auch für das Landeskommando Hamburg und das Katholische Militärdekanat Kiel zuständig ist. „Wir sind immer erreichbar“ steht an der Tür des 65-jährigen Priesters. Eine Einladung, die Bundeswehrangehörige regelmäßig gern wahrnehmen. Denn der aus dem Ruhrgebiet stammende Mezger hat zwei Aufgaben, die in diesen Tagen mit Diskussionen rund um die von Verteidigungsminister Boris Pistorius angemahnte Kriegstüchtigkeit und Stärkung der Streitkräfte noch mehr Herausforderungen und Anstrengung verlangen als sonst: Als Hochschullehrer gibt der Theologe den den einfachen Soldaten wie den berufserfahrenen Offizieren, die an der Akademie studieren, sogenannten Lebenskundlichen Unterricht (LKU). Dazu ist der langjährige Gemeindepfarrer in Essen Seelsorger für Soldaten, aber genauso auch für deren Familien.

Erster Ansprechpartner in seelischen Krisen

„Es sind nicht unbedingt religiöse Fragen, mit denen die Soldatinnen und Soldaten zu mir kommen“, sagt Bernward Mezger. „Als Militärseelsorger kümmere ich mich erst einmal auch um übliche Gemeindeangebote wie unsere wöchentliche Messe in der Kapelle oder um Taufen oder Heiraten. Schließlich haben viele Militärangehörige Familie oder möchten eine gründen.“ Da sei er vor Ort im Rahmen der Lehrgänge oft erster Ansprechpartner. Auch Hilfe in seelischen Krisen leiste er immer wieder, erinnert sich Mezger: Da seien Trennungen aufgrund der oft jahrelangen Fernbeziehung, die Militärs führten. Oder Auslandseinsätze wie Marinepatrouillen im Mittelmeer. „Ein Schiff nenne ich gern eine seelsorgerische Intensivstation“, sagt Mezger, der selbst einige Wochen auf Fregatte an Bord war. „Den Soldatinnen und Soldaten fehlen nicht nur Partner oder Freunde, sondern schlicht jegliche Privatsphäre. Dazu kommen Routine, Eintönigkeit des Tagesablaufs und Langeweile.“ Angebote zu Gesprächen über „Gott und die Welt“, aber auch gemeinsame Ausflüge in den Häfen oder einfach nur das Wissen um diese Angebote würden dankbar aufgenommen. Noch schwieriger sei seine Rolle natürlich, wenn Soldaten oder Kameraden sterben. Sei es unerwartet an einer Krankheit oder bei einem Auslandseinsatz. Mezger war 2014 selbst mehrere Monate in Afghanistan und weiß deshalb aus eigenem Erleben, wie Leben und Stimmung vor Ort sind: „Anspannung und Stress sind meist groß. Ein offenes, unabhängiges Ohr ist dann ebenso wichtig wie Trauerbegleitung in Todesfällen etwa durch Terroranschläge.“

Die Kapelle in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg steht allen Religionen und Sinnsuchenden offen. Foto: Christoph Schumann, 2024
Die Kapelle in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg steht allen Religionen und Sinnsuchenden offen. Foto: Christoph Schumann, 2024

Nicht Religionsunterricht, sondern Persönlichkeitsbildung

Mezgers zweite Kernaufgabe ist die Lehre. Rund sechshundert angehende und Offiziere in weiterführenden Lehrgängen unterrichtet der Dozent alljährlich, wenn die Führungskräfte der Bundeswehr zum Studium in der Führungsakademie sind, die neben den historischen Hörsälen moderne Universitätsgebäude und Lehrsäle besitzt. Dass im LKU nicht nur religiöse Teilnehmer sitzen, weiß Mezger. In der Bundeswehr sei es nicht anders als in der Gesamtgesellschaft, weniger als die Häfte der Soldaten sei kirchlich sozialisiert. „Aber ich gebe ja auch keinen Religionsunterricht“, umreisst seinen Auftrag, der gleichzeitig sein Anliegen ist: „Was wir anstreben ist Persönlichkeitsbildung, sind Reife und Menschlichkeit.“ Die Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer, meist reflektierte Persönlichkeiten um die dreißig Jahre, sollten einen ethischen und moralischen Kompass entwickeln, der sie in ihrer aktuellen oder kommenden Führungsfunktion zu einem bewussten Handeln anleiten solle. „Leitfrage ist dabei immer: Trage ich durch das, was ich tue, zum Frieden bei? Zu einem gerechten Frieden?“, fasst Bernward Mezger zusammen. Denn Leitmotiv sei immer, den Soldatenberuf als Dienst am Frieden zu verstehen. Dieser müsse darum auf einer friedensethischen Grundordnung stehen.

Die Bundeswehr erwarte mit ihrem Leitbild vom ›Staatsbürger in Uniform‹ Soldaten als Charaktere, die einen gewissensgeleiteten Gehorsam bzw. Führungsstil praktizieren. Gleichzeitig müssen sie bei aller Entscheidungsstärke verantwortungsbewusst und vorbildlich sein. Dazu gehört es, dass sie sich einen Tugendkatalog erarbeiten, im Umgang mit komplexen, moralisch fordernden Situationen geübt sind und mit fragwürdigen Denk- und Verhaltensweisen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr kritisch und wachsam umgehen können, so Mezger. „Dafür bietet unser Unterricht einen vorurteilsfreien Raum zum freien Denken und Reden. Dort ist Platz für Kritik und Auseinandersetzungen, so dass Gedanken und Lösungen frei abgewogen und probiert werden können.“ Die Lehrenden vermittelten dazu einen ethischen, gar nicht mal rein religiösen oder christlichen ›Instrumentenkasten‹: „In allen Lehrgängen sitzen Teilnehmer, die einerseits ein soldatisches Selbstverständnis haben, andererseits aber auch ethische Aspekte der Menschenführung und nicht zuletzt Fundament und Legitimität militärischen Handelns kennenlernen wollen.“

 

Im Ernstfall muss auch Frieden verteidigt werden

Bereits vor sieben oder acht Jahren, nicht lange nach der Besetzung der Krim durch Russland, habe man an der Führungsakademie begonnen, die Frage der „Kriegstauglichkeit“ – noch nicht der Kriegstüchtigkeit – zu stellen. Lange fast vergessen, sei damals die Landes- und Bündnisverteidigungsbereitschaft von Nato bzw. Europa neu gestellt worden. „Das Wichtigste ist dabei immer zu unterstreichen, dass es dabei nie um Gewalt- und Angriffsbereitschaft geht, sondern um Friedfertigkeit“, betont der Militärdekan. „Wir wollen Offiziere, die Frieden bewahren und wiederherstellen.“ Er selbst biete dazu das christliche Prinzip der Gewaltlosigkeit an, wie sie Christus beispielsweise in der Bergpredigt gelehrt habe. Deshalb betone er immer wieder, dass Frieden ein Geschenk Gottes sei. Doch im Zweifelsfall müsse Frieden eben auch verteidigt werden, wenn nicht anders möglich, auch mit der Waffe. „Denn wir haben, auch als Christen, die Verpflichtung, schutzlosen Menschen zu helfen.“ Wie es auch gelte, eine eskalierte Gewalt zu minimieren. Mezger: „Nicht der Krieg soll gewonnen werden, sondern der Frieden.“ Ziel sei immer ein gerechter Frieden. Alles kreise darum um die Frage, welchen Frieden wir wollen: „Was steht uns zu? Was wünschen wir uns?“ Dies wolle er im Rahmen seines Kontakts mit den militärischen Führungskräften vermitteln. Denn die geänderte Rolle der Bundeswehr etwa mit der dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen schon in wenigen Monaten bedeute eine Zäsur, so Mezger: „Damit wird das Verständnis des Soldatenberufs als Dienst am Frieden noch dringlicher. Und nicht nur unsere Soldaten dort fragen sich tagtäglich: Trage ich durch das, was ich tue, zum Frieden bei?“

 

Stand: April 2024, Copyright Text und Fotos: Christoph Schumann, Hamburg 2024

„Wir wollen den Frieden gewinnen“ – ein Gespräch mit dem katholischen Militärdekan Bernward Mezger in Hamburg

Militärdekan Bernward Mezger in seinem Arbeitszimmer in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Foto: Christoph Schumann, 2024
Militärdekan Bernward Mezger in seinem Arbeitszimmer in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Foto: Christoph Schumann, 2024

PORTRÄT Hamburg (cs). Ein trüber, regnerischer Freitagmorgen im Januar dieses Jahrs. Der Weg von der Bushaltestelle zur Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg führt vorbei an Apparmenthäusern aus den 1970er Jahren, alten Villen, einem Seniorenheim und einer Pension. Still ist es, außer einigen Bauarbeitern ist auf dem knapp einen Kilometer langen Fußweg im Westen der Hansestadt niemand zu sehen. Als linkerhand der hohe Zaun rund um das parkartige Gelände der militärischen Hochschule auftaucht, sind es nur noch wenige Schritte bis zum Haupteingang der Clausewitz-Kaserne: Der zwischen 1933 und 1936 in Blankenese errichtete Standort ist seit fast siebzig Jahren die wichtigste militärische Ausbildungsstätte für die Aus-, Weiter- und Fortbildung der Bundeswehr.

Dass an diesem ruhigen Ort brennende Themen wie Wehrfähigkeit, Krieg und Frieden verhandelt werden, scheint kaum zu glauben. „So leer wie heute ist es meist nicht“, begrüßt mich Bernward Mezger am Haupteingang der kurz FüAkBw genannten Führungsakademie. Der katholische Militärdekan hat sein Büro gleich neben dem Haupttor in einem Seitenflügel. „Viele Militärangehörige sind schon im Wochenende und einige der Seminare oder Vorlesungen finden online statt“, erklärt der Geistliche, der seit gut acht Jahren das Katholische Militärpfarramt Hamburg II leitet und als Priester neben der Führungsakademie auch für das Landeskommando Hamburg und das Katholische Militärdekanat Kiel zuständig ist. „Wir sind immer erreichbar“ steht an der Tür des 65-jährigen Priesters. Eine Einladung, die Bundeswehrangehörige regelmäßig gern wahrnehmen. Denn der aus dem Ruhrgebiet stammende Mezger hat zwei Aufgaben, die in diesen Tagen mit Diskussionen rund um die von Verteidigungsminister Boris Pistorius angemahnte Kriegstüchtigkeit und Stärkung der Streitkräfte noch mehr Herausforderungen und Anstrengung verlangen als sonst: Als Hochschullehrer gibt der Theologe den den einfachen Soldaten wie den berufserfahrenen Offizieren, die an der Akademie studieren, sogenannten Lebenskundlichen Unterricht (LKU). Dazu ist der langjährige Gemeindepfarrer in Essen Seelsorger für Soldaten, aber genauso auch für deren Familien.

Erster Ansprechpartner in seelischen Krisen

„Es sind nicht unbedingt religiöse Fragen, mit denen die Soldatinnen und Soldaten zu mir kommen“, sagt Bernward Mezger. „Als Militärseelsorger kümmere ich mich erst einmal auch um übliche Gemeindeangebote wie unsere wöchentliche Messe in der Kapelle oder um Taufen oder Heiraten. Schließlich haben viele Militärangehörige Familie oder möchten eine gründen.“ Da sei er vor Ort im Rahmen der Lehrgänge oft erster Ansprechpartner. Auch Hilfe in seelischen Krisen leiste er immer wieder, erinnert sich Mezger: Da seien Trennungen aufgrund der oft jahrelangen Fernbeziehung, die Militärs führten. Oder Auslandseinsätze wie Marinepatrouillen im Mittelmeer. „Ein Schiff nenne ich gern eine seelsorgerische Intensivstation“, sagt Mezger, der selbst einige Wochen auf Fregatte an Bord war. „Den Soldatinnen und Soldaten fehlen nicht nur Partner oder Freunde, sondern schlicht jegliche Privatsphäre. Dazu kommen Routine, Eintönigkeit des Tagesablaufs und Langeweile.“ Angebote zu Gesprächen über „Gott und die Welt“, aber auch gemeinsame Ausflüge in den Häfen oder einfach nur das Wissen um diese Angebote würden dankbar aufgenommen. Noch schwieriger sei seine Rolle natürlich, wenn Soldaten oder Kameraden sterben. Sei es unerwartet an einer Krankheit oder bei einem Auslandseinsatz. Mezger war 2014 selbst mehrere Monate in Afghanistan und weiß deshalb aus eigenem Erleben, wie Leben und Stimmung vor Ort sind: „Anspannung und Stress sind meist groß. Ein offenes, unabhängiges Ohr ist dann ebenso wichtig wie Trauerbegleitung in Todesfällen etwa durch Terroranschläge.“

Die Kapelle in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg steht allen Religionen und Sinnsuchenden offen. Foto: Christoph Schumann, 2024
Die Kapelle in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg steht allen Religionen und Sinnsuchenden offen. Foto: Christoph Schumann, 2024

Nicht Religionsunterricht, sondern Persönlichkeitsbildung

Mezgers zweite Kernaufgabe ist die Lehre. Rund sechshundert angehende und Offiziere in weiterführenden Lehrgängen unterrichtet der Dozent alljährlich, wenn die Führungskräfte der Bundeswehr zum Studium in der Führungsakademie sind, die neben den historischen Hörsälen moderne Universitätsgebäude und Lehrsäle besitzt. Dass im LKU nicht nur religiöse Teilnehmer sitzen, weiß Mezger. In der Bundeswehr sei es nicht anders als in der Gesamtgesellschaft, weniger als die Häfte der Soldaten sei kirchlich sozialisiert. „Aber ich gebe ja auch keinen Religionsunterricht“, umreisst seinen Auftrag, der gleichzeitig sein Anliegen ist: „Was wir anstreben ist Persönlichkeitsbildung, sind Reife und Menschlichkeit.“ Die Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer, meist reflektierte Persönlichkeiten um die dreißig Jahre, sollten einen ethischen und moralischen Kompass entwickeln, der sie in ihrer aktuellen oder kommenden Führungsfunktion zu einem bewussten Handeln anleiten solle. „Leitfrage ist dabei immer: Trage ich durch das, was ich tue, zum Frieden bei? Zu einem gerechten Frieden?“, fasst Bernward Mezger zusammen. Denn Leitmotiv sei immer, den Soldatenberuf als Dienst am Frieden zu verstehen. Dieser müsse darum auf einer friedensethischen Grundordnung stehen.

Die Bundeswehr erwarte mit ihrem Leitbild vom ›Staatsbürger in Uniform‹ Soldaten als Charaktere, die einen gewissensgeleiteten Gehorsam bzw. Führungsstil praktizieren. Gleichzeitig müssen sie bei aller Entscheidungsstärke verantwortungsbewusst und vorbildlich sein. Dazu gehört es, dass sie sich einen Tugendkatalog erarbeiten, im Umgang mit komplexen, moralisch fordernden Situationen geübt sind und mit fragwürdigen Denk- und Verhaltensweisen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr kritisch und wachsam umgehen können, so Mezger. „Dafür bietet unser Unterricht einen vorurteilsfreien Raum zum freien Denken und Reden. Dort ist Platz für Kritik und Auseinandersetzungen, so dass Gedanken und Lösungen frei abgewogen und probiert werden können.“ Die Lehrenden vermittelten dazu einen ethischen, gar nicht mal rein religiösen oder christlichen ›Instrumentenkasten‹: „In allen Lehrgängen sitzen Teilnehmer, die einerseits ein soldatisches Selbstverständnis haben, andererseits aber auch ethische Aspekte der Menschenführung und nicht zuletzt Fundament und Legitimität militärischen Handelns kennenlernen wollen.“

 

Im Ernstfall muss auch Frieden verteidigt werden

Bereits vor sieben oder acht Jahren, nicht lange nach der Besetzung der Krim durch Russland, habe man an der Führungsakademie begonnen, die Frage der „Kriegstauglichkeit“ – noch nicht der Kriegstüchtigkeit – zu stellen. Lange fast vergessen, sei damals die Landes- und Bündnisverteidigungsbereitschaft von Nato bzw. Europa neu gestellt worden. „Das Wichtigste ist dabei immer zu unterstreichen, dass es dabei nie um Gewalt- und Angriffsbereitschaft geht, sondern um Friedfertigkeit“, betont der Militärdekan. „Wir wollen Offiziere, die Frieden bewahren und wiederherstellen.“ Er selbst biete dazu das christliche Prinzip der Gewaltlosigkeit an, wie sie Christus beispielsweise in der Bergpredigt gelehrt habe. Deshalb betone er immer wieder, dass Frieden ein Geschenk Gottes sei. Doch im Zweifelsfall müsse Frieden eben auch verteidigt werden, wenn nicht anders möglich, auch mit der Waffe. „Denn wir haben, auch als Christen, die Verpflichtung, schutzlosen Menschen zu helfen.“ Wie es auch gelte, eine eskalierte Gewalt zu minimieren. Mezger: „Nicht der Krieg soll gewonnen werden, sondern der Frieden.“ Ziel sei immer ein gerechter Frieden. Alles kreise darum um die Frage, welchen Frieden wir wollen: „Was steht uns zu? Was wünschen wir uns?“ Dies wolle er im Rahmen seines Kontakts mit den militärischen Führungskräften vermitteln. Denn die geänderte Rolle der Bundeswehr etwa mit der dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen schon in wenigen Monaten bedeute eine Zäsur, so Mezger: „Damit wird das Verständnis des Soldatenberufs als Dienst am Frieden noch dringlicher. Und nicht nur unsere Soldaten dort fragen sich tagtäglich: Trage ich durch das, was ich tue, zum Frieden bei?“

 

Stand: April 2024, Copyright Text und Fotos: Christoph Schumann, Hamburg 2024