REPORTAGE
Mulhouse/Frankreich (cs). Unbeschwert war die Liebe zum Auto auch schon vor Jahrzehnten nicht immer. Jedenfalls wenn sie Dimensionen annahm, die Außenstehende nicht nachvollziehnen können – oder sollten. So wie im Fall der Brüder Hans und Fritz Schlumpf aus dem elsässischen Mülhausen, die mit ihrer Leidenschaft die Grundlage zum heute größten Museum seiner Art weltweit legten mit mehr als 600 außergewöhnlichen Fahrzeugen von Bugatti bis Rolls-Royce. Die Geschichte des längst zum nationalen französischen Kulturgut zählenden „Musée National de l’Automobile –Sammlung Schlumpf“ ist ebenso wechselvoll wie kämpferisch. Und erinnert damit auch an die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen, die derzeit um die Rolle des Autos geführt werden.
Hans und Fritz Schlumpf werden 1904 und 1906 in Italien als Kinder eines Schweizer Vaters, Carl, und einer Mutter aus Mulhouse, Jeanne Becker, geboren. Die Familie lässt sich 1906 in Mulhouse nieder. Nach dem Tod von Carl Schlumpf wird Hans auf eine Privatschule in der Schweiz geschickt und erwirbt ein Kaufmannsdiplom. Er arbeitet in verschiedenen Banken in Mulhouse, ehe er sich 1929 mit seinem Bruder zusammenschließt. Der hatte in Mulhouse in Textilunternehmen angeheuert und sich 1928 als Wollhändler selbstständig gemacht. 1935 gründen die beiden Brüder die SAIL (Société Anonyme pour l'Industrie Lainière, Aktiengesellschaft für die Wollindustrie), kaufen ihre ersten Aktien der Spinnerei in Malmerspach und übernehmen die Mehrheit an verschiedenen Unternehmen.
REPORTAGE Montbéliard/Frankreich (cs). 400 Jahre lang gehörte Montbéliard zu Württemberg – heute ist die ostfranzösische Stadt ein idealer Halt auf halbem Weg zwischen Nordddeutschland und Südfrankreich. Geschichte und Industriegeschichte prägen das Bild des lebendigen Ortes.
Mittelalterlicher Kern
„Ich lebe gern in Montbéliard“, lacht Anais Baronnat, während wir auf dem Rundgang vor der Kirche Saint Martin im Herzen der 25.000-Einwohner-Stadt angekommen sind. Das 1604 erbaute Gotteshaus ist heute die älteste evangelische Kirche des Landes (und leider gerade wegen Renovierung geschlossen). „Montbéliard verbindet alt und neu. Es hat einen mittelalterlichen Kern rund um das Schloss hoch oben auf dem Felsen. Gleichzeitig hat es aber viele moderne Seiten wie eine renommierte Musikakademie, Cafés und natürlich das Werk von Stellantis mit dem Peugeot-Museum“, ergänzt die junge Französin, die der Beruf vor zwei Jahren aus dem südlichen Narbonne in den Osten Frankreichs verschlagen hat. Nicht einmal eine Stunde ist es von Basel in der Schweiz, ebensoweit via Mulhouse bis an die deutsche Grenze bei Müllheim.
NEWS Gaillac/Tarn. Die ältesten und bekanntesten Weinlagen des Departements Tarn erstrecken sich rund um Gaillac. Das "Gaillacois" ist jedoch mehr als nur ein Weinbaugebiet. Zwischen Wäldern und sonnigen Feldern erheben sich sehenswerte mittelalterliche Dörfer. Belebte Kleinstädte mit Fachwerk, Backsteinarchitektur und Marktplätzen sind Gelegenheit Land und Leute kennen zu lernen. In verstreut liegenden Weingütern werden Gäste willkommen geheißen, sei es für einen Aufenthalt oder nur eine Weinprobe. Und überall herrscht die typisch gastfreundliche Atmosphäre in der man sich sofort wohl fühlt.
Von Christoph Schumann
REPORTAGE Beaune. Erst einen Schluck vom Roten? Oder doch etwas vom leichteren Rosé? „Unser Rosé ist seltener“, sagt Fanny Roucault und rät dazu, zunächst den helleren Wein zu verkosten, den wir im Jahrhunderte alten Weinkeller des Weinguts in Orches genießen. Schon in achtzehnter Generation bauen die französischen Winzer in und um den kleinen Bergort, der rund eine halbe Autostunde von Beaune entfernt liegt, hochkarätige Weine an. „Der Rosé ist dabei aber eher eine Seltenheit und wird tatsächlich am meisten von Frauen geschätzt“, lacht Roucault. „Wie fast im ganzen Burgund bildet auch bei uns aber Rotwein den Schwerpunkt“, so die Seniorchefin, während wir aus das französisch Cave genannte Gewölbe ins Tageslicht verlassen.
Lourdes. Einzeln werden die Pilgergruppen begrüßt, die sich an diesem späten Samstag Nachmittag auf dem weiten Prozessionsplatz vor der neo-byzantinischen Basilika Mariä Empfängnis in Lourdes versammeln. Gläubige aus ganz Europa sind darunter, viele Katholiken aus Mittelamerika – und tausende besonders weit gereiste Marienverehrer und -verehrerinnen von den Philippinen, die sich um die gekrönte Marienstatue versammeln. Die Zahl der Fernreisenden steigt im Wallfahrtsort am Fuß der französischen Pyrenäen von Jahr zu Jahr. Dagegen kommen heute spürbar weniger Pilgerzüge oder –busse aus den einst mehrheitlich repräsentierten europäischen Ländern wie Spanien, Italien Deutschland, Österreich oder Frankreich selbst.
Luz Saint-Saveur. Die französischen Pyrenäen gehören mit Bergpässen wie dem 2115 Meter hohen Col du Tourmalet zu den Highlights der Tour de France – mit einem E-Bike wird das Erklimmen der Gipfel auch für Radurlauber zum Genuss.
Die einen sammeln Bergpässe und Höhenkilometer. Die anderen Trikots und Rennräder der unvergessenen Stars der Tour de France. Wie Christian Lafont und Jean-Pierre Souvergielle, die beide weit über ihre Heimat in den französischen Pyrenäen hinaus als Botschafter des Lebensgefühls Radfahren gelten.
Der rasende Feuerwehrmann Lafont wurde 2013 Radweltmeister der Brandlöscher in seiner Altersklasse. Doch erst nach 30 Berufsjahren hat der 60-Jährige aus Luchon kürzlich sein Hobby zum Beruf gemacht und ein Radsportgeschäft eröffnet. „Für mich erfüllt sich damit ein Traum“, sagt der drahtige Vielfahrer, der mehrmals pro Woche schon vor Ladenöffnung 160 Kilometer in den Bergen rund um den Thermalort trainiert.
REPORTAGE St. Denis/La Réunion. Ein verführerischer Duft aus Linsen, Knoblauch, gegrilltem Fleisch, Reis und exotischen Gewürzen durchzieht die Küche von Elourda Severin. Mit gekonnten Handgriffen und gezielten Tipps weist die 54-Jährige ihre weit gereisten deutschen Gäste in die Kochkunst ihrer Heimat ein: „Die kreolische Küche ist unsere einzigartige Kombination aus indischen, afrikanischen, französischen und chinesischen Zutaten. Über alle Schichten, Generationen und Herkunft hinweg verbindet sie die Menschen hier auf La Réunion“, sagt unsere Gastgeberin, die regelmäßig Neugierige zum Table d’Hôtes in ihre Privatküche im Bergort Les Avirons einlädt.
Das südfranzösische Carcassonne besitzt mit der Wasserstraße Canal du Midi und seiner mittelalterlichen Cité gleich zwei Unesco-Welterbestätten - eine Reportage
Luneville. Das französische Lothringen ist reich an alter Handwerkskunst – die Herstellung von Kristall, Glas, Stickerei, Steingut und andere Traditionen können Reisende hautnah erleben
Lunéville. Wenn Karl Lagerfeld anruft, schlägt das Herz von Maryvonne Francois-Remy schneller. Denn Aufträge des in Hamburg geborenen Modezaren gehören zu den Lieblingsprojekten der französischen Stickkünstlerin aus Lunéville im französischen Lothringen. „Es gibt einfach nichts Schöneres für mich, als für die Haue Couture zu arbeiten“, sagt die lebenslustige Kunsthandwerkerin. „Denn dann kann ich noch einmal zeigen, wie hochkarätig und fein diese Arbeit ist.“
Christoph Schumann
PORTRÄT WISSENSCHAFT Osnabrück/Hamburg (cs). Hilflos steht die Achtjährige auf der Straße vor dem Haus ihrer Familie. Flammen und Rauch schlagen empor. Und während das Feuer lodert, rufen Mutter und Kuscheltiere laut aus dem Fenster um Hilfe. Nicht immer träumen Kinder so bildstark wie die Achtjährige, die Katharina Lüth von ihrem Albtraum berichtet hat. „Junge Menschen haben ähnliche Träume wie Erwachsene“, sagt die Kognitionswissenschaftlerin, die an der Universität Osnabrück zu Träumen forscht. Oft gehe es um Gefühle und Emotionen oder um soziale Beziehungen in der Familie, zu Freunden oder im Beruf. „In solchen Fällen sind Träume eine Art Simulation des ›echten‹ Lebens und verarbeiten beispielsweise Probleme, für die man eine Lösung sucht und manchmal auch findet“, so die 34-jährige Expertin.
Wenn Albträume die Konzentration schwächen
Anders seien Albträume wie der des jungen Mädchens. In diesen seinen Themen in der Regel Gefahr, Verfolgtwerden, Verlust oder Tod. „Albträume sind nicht problematisch“, weiß Lüth. „Schwierig wird es aber, wenn das Kind darunter tagsüber leidet“, so die gebürtige Hamburgerin. Wenn die Konzentration leide, etwa in der Schule. Oder wenn sogar die Angst wächst, abends ins Bett zu gehen, so dass sich die Wahrscheinlichkeit für einen neuen Albtraum steigere. Erster Ansprechpartner sind dann fast ausnahmslos die Eltern. „Sie können helfen, indem sie den Kindern sachlich zeigen, dass sie in ihrem Zimmer und im Haus in Sicherheit sind“, rät Lüth, die selbst Mutter seines Sohnes ist. Besonders Kleinkinder träumten oft von Monstern oder Gespenstern. „Dann sollte man mit ihnen unter dem Bett, hinter dem Vorhang und in anderen Winkeln nachschauen und zeigen, dass alles in Ordnung ist“, so der Tipp. Rund jeder zwanzigste Erwachsene habe so starke Albträume, dass sie oder er darunter leide. Genaue Vergleichszahlen dazu gebe es für Kinder nicht, doch sei es sicher ähnlich. Anders als für Große sei es für Heranwachsende auch immer noch schwieriger, eine professionelle Hilfestellung zu finden.
Eine Bedrohung zum Guten wenden
Als Kognitions-, also Wahrnehmungsforscherin bietet Katharina Lüth in solchen Fällen keine psychotherapeutische Hilfe an. „Wir machen aber eine Albtraumberatung“, sagt Lüth, die auch eine der Sprecherinnen der Arbeitsgruppe „Traum“ bei der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. ist. Bei Erwachsenen versuche man, in insgesamt drei Schritten, den Albtraum quasi zu überschreiben. Dazu werde das Geträumte zunächst schriftlich festgehalten. Dann versuche man, einen positiven Ausgang für die Geschichte zu finden, in dem das Traum-Ich aktiv Handelnder wird. Lüth: „Zum Beispiel kann jemand, der bedroht wird, Unterstützung holen und Herr der Lage werden, die sich zum Guten wendet.“ Anschließend wiederholen Albtraum-Geplagte dieses Szenario zwei Wochen lang innerlich immer wieder im Wachzustand. „So trainiert man das Gehirn darauf, eine Lösung zu aktivieren – die Hilflosigkeit im Traum verschwindet“, sagt Lüth zu dieser Form der Selbstwirksamkeit. Mit Kinder übt die Traumexpertin diese Schritte kreativer: „Ich lasse sie ein Bild ihre Traumes malen“, so Lüth. „Das kann ruhig auch unlogisch sein. Wir wenden dann das dunkle Bild in ein helles: Etwa, in dem der Teddy im brennenden Haus zum Superhelden wird, der das Feuer löscht.“
Kinder müssen lernen, Träume richtig zu bewerten
Rund ein Drittel seiner Lebenszeit verbringe man im Schlaf. Warum genau Menschen träumen, sei aber immer noch ein Rätsel, unterstreicht Lüth, die die Traumschlafphasen ihrer Probanden im studentisch geleiteten Schlaflabor der Universität anhand der Hirnströme mit einer Elektroenzephalografie (EEG) aufzeichnet. Unabhängig vom Alter träumten alle Menschen vier bis fünf Mal pro Nacht und in allen Schlafphasen. Die intensivste Traumzeit sei allerdings der REM-Schlaf in der zweiten Nachthälfte, der durch schnelle, intensive Augenbewegungen gekennzeichnet sei. Lüth: „Dann träumen Kinder wie Ältere am emotionalsten.“ Gerade in der REM-Phase haben Betroffene auch eher Albträume. Wecken sollte man Kinder nicht, meist erführen Eltern ohnehin erst am nächsten Morgen von der Nacht ihres Nachwuchses. Überhaupt, so das Fazit der Schlafforscherin, seien Albträume üblicherweise kein Grund zur Sorge: „Natürlich beschäftigen sich Kinder und Jugendliche im Traum mehr mit Fragen wie guten oder schlechten Freunden, Reibereien in der Familie, Verfolgung, Kriegen, Naturkatastrophen oder dem Sterben von Eltern oder Großeltern“, fasst Katharina Lüth zusammen. Diese hatten oder haben teils Erwachsene auch: „Wir haben aber fast alle gelernt, damit umzugehen und unsere Träume entsprechend einzuordnen und zu bewerten.“ Dies müssten Kinder erst noch lernen. Und meist täten sie dies auch – allein, im Austausch miteinander oder den Eltern. Professioneller Rat zum Beispiel in einer der Anlaufstellen für Albtraumberatung sei darum nur in den seltensten Fällen nötig.
Stand meiner Recherche: Frühjahr 2024, Hamburg, Christoph Schumann
Christoph Schumann
PORTRÄT WISSENSCHAFT Osnabrück/Hamburg (cs). Hilflos steht die Achtjährige auf der Straße vor dem Haus ihrer Familie. Flammen und Rauch schlagen empor. Und während das Feuer lodert, rufen Mutter und Kuscheltiere laut aus dem Fenster um Hilfe. Nicht immer träumen Kinder so bildstark wie die Achtjährige, die Katharina Lüth von ihrem Albtraum berichtet hat. „Junge Menschen haben ähnliche Träume wie Erwachsene“, sagt die Kognitionswissenschaftlerin, die an der Universität Osnabrück zu Träumen forscht. Oft gehe es um Gefühle und Emotionen oder um soziale Beziehungen in der Familie, zu Freunden oder im Beruf. „In solchen Fällen sind Träume eine Art Simulation des ›echten‹ Lebens und verarbeiten beispielsweise Probleme, für die man eine Lösung sucht und manchmal auch findet“, so die 34-jährige Expertin.
Wenn Albträume die Konzentration schwächen
Anders seien Albträume wie der des jungen Mädchens. In diesen seinen Themen in der Regel Gefahr, Verfolgtwerden, Verlust oder Tod. „Albträume sind nicht problematisch“, weiß Lüth. „Schwierig wird es aber, wenn das Kind darunter tagsüber leidet“, so die gebürtige Hamburgerin. Wenn die Konzentration leide, etwa in der Schule. Oder wenn sogar die Angst wächst, abends ins Bett zu gehen, so dass sich die Wahrscheinlichkeit für einen neuen Albtraum steigere. Erster Ansprechpartner sind dann fast ausnahmslos die Eltern. „Sie können helfen, indem sie den Kindern sachlich zeigen, dass sie in ihrem Zimmer und im Haus in Sicherheit sind“, rät Lüth, die selbst Mutter seines Sohnes ist. Besonders Kleinkinder träumten oft von Monstern oder Gespenstern. „Dann sollte man mit ihnen unter dem Bett, hinter dem Vorhang und in anderen Winkeln nachschauen und zeigen, dass alles in Ordnung ist“, so der Tipp. Rund jeder zwanzigste Erwachsene habe so starke Albträume, dass sie oder er darunter leide. Genaue Vergleichszahlen dazu gebe es für Kinder nicht, doch sei es sicher ähnlich. Anders als für Große sei es für Heranwachsende auch immer noch schwieriger, eine professionelle Hilfestellung zu finden.
Eine Bedrohung zum Guten wenden
Als Kognitions-, also Wahrnehmungsforscherin bietet Katharina Lüth in solchen Fällen keine psychotherapeutische Hilfe an. „Wir machen aber eine Albtraumberatung“, sagt Lüth, die auch eine der Sprecherinnen der Arbeitsgruppe „Traum“ bei der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. ist. Bei Erwachsenen versuche man, in insgesamt drei Schritten, den Albtraum quasi zu überschreiben. Dazu werde das Geträumte zunächst schriftlich festgehalten. Dann versuche man, einen positiven Ausgang für die Geschichte zu finden, in dem das Traum-Ich aktiv Handelnder wird. Lüth: „Zum Beispiel kann jemand, der bedroht wird, Unterstützung holen und Herr der Lage werden, die sich zum Guten wendet.“ Anschließend wiederholen Albtraum-Geplagte dieses Szenario zwei Wochen lang innerlich immer wieder im Wachzustand. „So trainiert man das Gehirn darauf, eine Lösung zu aktivieren – die Hilflosigkeit im Traum verschwindet“, sagt Lüth zu dieser Form der Selbstwirksamkeit. Mit Kinder übt die Traumexpertin diese Schritte kreativer: „Ich lasse sie ein Bild ihre Traumes malen“, so Lüth. „Das kann ruhig auch unlogisch sein. Wir wenden dann das dunkle Bild in ein helles: Etwa, in dem der Teddy im brennenden Haus zum Superhelden wird, der das Feuer löscht.“
Kinder müssen lernen, Träume richtig zu bewerten
Rund ein Drittel seiner Lebenszeit verbringe man im Schlaf. Warum genau Menschen träumen, sei aber immer noch ein Rätsel, unterstreicht Lüth, die die Traumschlafphasen ihrer Probanden im studentisch geleiteten Schlaflabor der Universität anhand der Hirnströme mit einer Elektroenzephalografie (EEG) aufzeichnet. Unabhängig vom Alter träumten alle Menschen vier bis fünf Mal pro Nacht und in allen Schlafphasen. Die intensivste Traumzeit sei allerdings der REM-Schlaf in der zweiten Nachthälfte, der durch schnelle, intensive Augenbewegungen gekennzeichnet sei. Lüth: „Dann träumen Kinder wie Ältere am emotionalsten.“ Gerade in der REM-Phase haben Betroffene auch eher Albträume. Wecken sollte man Kinder nicht, meist erführen Eltern ohnehin erst am nächsten Morgen von der Nacht ihres Nachwuchses. Überhaupt, so das Fazit der Schlafforscherin, seien Albträume üblicherweise kein Grund zur Sorge: „Natürlich beschäftigen sich Kinder und Jugendliche im Traum mehr mit Fragen wie guten oder schlechten Freunden, Reibereien in der Familie, Verfolgung, Kriegen, Naturkatastrophen oder dem Sterben von Eltern oder Großeltern“, fasst Katharina Lüth zusammen. Diese hatten oder haben teils Erwachsene auch: „Wir haben aber fast alle gelernt, damit umzugehen und unsere Träume entsprechend einzuordnen und zu bewerten.“ Dies müssten Kinder erst noch lernen. Und meist täten sie dies auch – allein, im Austausch miteinander oder den Eltern. Professioneller Rat zum Beispiel in einer der Anlaufstellen für Albtraumberatung sei darum nur in den seltensten Fällen nötig.
Stand meiner Recherche: Frühjahr 2024, Hamburg, Christoph Schumann
Christoph Schumann
PORTRÄT WISSENSCHAFT Osnabrück/Hamburg (cs). Hilflos steht die Achtjährige auf der Straße vor dem Haus ihrer Familie. Flammen und Rauch schlagen empor. Und während das Feuer lodert, rufen Mutter und Kuscheltiere laut aus dem Fenster um Hilfe. Nicht immer träumen Kinder so bildstark wie die Achtjährige, die Katharina Lüth von ihrem Albtraum berichtet hat. „Junge Menschen haben ähnliche Träume wie Erwachsene“, sagt die Kognitionswissenschaftlerin, die an der Universität Osnabrück zu Träumen forscht. Oft gehe es um Gefühle und Emotionen oder um soziale Beziehungen in der Familie, zu Freunden oder im Beruf. „In solchen Fällen sind Träume eine Art Simulation des ›echten‹ Lebens und verarbeiten beispielsweise Probleme, für die man eine Lösung sucht und manchmal auch findet“, so die 34-jährige Expertin.
Wenn Albträume die Konzentration schwächen
Anders seien Albträume wie der des jungen Mädchens. In diesen seinen Themen in der Regel Gefahr, Verfolgtwerden, Verlust oder Tod. „Albträume sind nicht problematisch“, weiß Lüth. „Schwierig wird es aber, wenn das Kind darunter tagsüber leidet“, so die gebürtige Hamburgerin. Wenn die Konzentration leide, etwa in der Schule. Oder wenn sogar die Angst wächst, abends ins Bett zu gehen, so dass sich die Wahrscheinlichkeit für einen neuen Albtraum steigere. Erster Ansprechpartner sind dann fast ausnahmslos die Eltern. „Sie können helfen, indem sie den Kindern sachlich zeigen, dass sie in ihrem Zimmer und im Haus in Sicherheit sind“, rät Lüth, die selbst Mutter seines Sohnes ist. Besonders Kleinkinder träumten oft von Monstern oder Gespenstern. „Dann sollte man mit ihnen unter dem Bett, hinter dem Vorhang und in anderen Winkeln nachschauen und zeigen, dass alles in Ordnung ist“, so der Tipp. Rund jeder zwanzigste Erwachsene habe so starke Albträume, dass sie oder er darunter leide. Genaue Vergleichszahlen dazu gebe es für Kinder nicht, doch sei es sicher ähnlich. Anders als für Große sei es für Heranwachsende auch immer noch schwieriger, eine professionelle Hilfestellung zu finden.
Eine Bedrohung zum Guten wenden
Als Kognitions-, also Wahrnehmungsforscherin bietet Katharina Lüth in solchen Fällen keine psychotherapeutische Hilfe an. „Wir machen aber eine Albtraumberatung“, sagt Lüth, die auch eine der Sprecherinnen der Arbeitsgruppe „Traum“ bei der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. ist. Bei Erwachsenen versuche man, in insgesamt drei Schritten, den Albtraum quasi zu überschreiben. Dazu werde das Geträumte zunächst schriftlich festgehalten. Dann versuche man, einen positiven Ausgang für die Geschichte zu finden, in dem das Traum-Ich aktiv Handelnder wird. Lüth: „Zum Beispiel kann jemand, der bedroht wird, Unterstützung holen und Herr der Lage werden, die sich zum Guten wendet.“ Anschließend wiederholen Albtraum-Geplagte dieses Szenario zwei Wochen lang innerlich immer wieder im Wachzustand. „So trainiert man das Gehirn darauf, eine Lösung zu aktivieren – die Hilflosigkeit im Traum verschwindet“, sagt Lüth zu dieser Form der Selbstwirksamkeit. Mit Kinder übt die Traumexpertin diese Schritte kreativer: „Ich lasse sie ein Bild ihre Traumes malen“, so Lüth. „Das kann ruhig auch unlogisch sein. Wir wenden dann das dunkle Bild in ein helles: Etwa, in dem der Teddy im brennenden Haus zum Superhelden wird, der das Feuer löscht.“
Kinder müssen lernen, Träume richtig zu bewerten
Rund ein Drittel seiner Lebenszeit verbringe man im Schlaf. Warum genau Menschen träumen, sei aber immer noch ein Rätsel, unterstreicht Lüth, die die Traumschlafphasen ihrer Probanden im studentisch geleiteten Schlaflabor der Universität anhand der Hirnströme mit einer Elektroenzephalografie (EEG) aufzeichnet. Unabhängig vom Alter träumten alle Menschen vier bis fünf Mal pro Nacht und in allen Schlafphasen. Die intensivste Traumzeit sei allerdings der REM-Schlaf in der zweiten Nachthälfte, der durch schnelle, intensive Augenbewegungen gekennzeichnet sei. Lüth: „Dann träumen Kinder wie Ältere am emotionalsten.“ Gerade in der REM-Phase haben Betroffene auch eher Albträume. Wecken sollte man Kinder nicht, meist erführen Eltern ohnehin erst am nächsten Morgen von der Nacht ihres Nachwuchses. Überhaupt, so das Fazit der Schlafforscherin, seien Albträume üblicherweise kein Grund zur Sorge: „Natürlich beschäftigen sich Kinder und Jugendliche im Traum mehr mit Fragen wie guten oder schlechten Freunden, Reibereien in der Familie, Verfolgung, Kriegen, Naturkatastrophen oder dem Sterben von Eltern oder Großeltern“, fasst Katharina Lüth zusammen. Diese hatten oder haben teils Erwachsene auch: „Wir haben aber fast alle gelernt, damit umzugehen und unsere Träume entsprechend einzuordnen und zu bewerten.“ Dies müssten Kinder erst noch lernen. Und meist täten sie dies auch – allein, im Austausch miteinander oder den Eltern. Professioneller Rat zum Beispiel in einer der Anlaufstellen für Albtraumberatung sei darum nur in den seltensten Fällen nötig.
Stand meiner Recherche: Frühjahr 2024, Hamburg, Christoph Schumann