Das Püttlachtal in der Fränkischen Schweiz: Wo schon die Romantiker wanderten

Der Marktplatz von Pottentsein. Foto: Christoph Schumann, 2021
Der Marktplatz von Pottentsein. Foto: Christoph Schumann, 2021

Reportage von Christoph Schumann

Pottenstein (cs). Dass die Schönheit der Natur gleich vor der Haustür liegt und am besten erwandert werden will, entdeckten in Pandemiezeiten wie diesen selbst Weltreisende und Unsportliche. Neu ist die Erkenntnis nicht, im Gegenteil. Die Fränkische Schweiz ist „ein in den schönsten Punkten nur dem Fußwanderer zugänglicher Gebirgsstrich zwischen Bamberg, Nürnberg und Bayreuth (. . .) meine Erwartungen wurden weit übertroffen, ich fand es schöner, großartiger und origineller, als ich vermutet“, schriebt der Dichter Victor von Scheffel. Nicht 2021, sondern 1859. Machen wir die Probe aufs Biedermeier-Deutschland, das vieles (noch) verklärter sah als die Gegenwart und starten zu einer Wanderung, die uns auf etwa 20 Kilometern durchs Herz der Region führt.

Ausgangspunkt ist das historische Pottenstein. Überragt von der mehr als 1000-jährige Burg geht es zunächst durch die Altstadt mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern am Marktplatz mit dem Elisabethbrunnen vorbei bis zur Stadtkirche St. Bartholomäus, die um 1750 nach einem verheerenden Brand, dem mehr als 60 Häuser im Felsenort zum Opfer fielen im spätgotischen Stil wiederaufgebaut wurde. Dann streben wir durch das Löhrgässchen nach Südosten ins Tal der Püttlach. Gleich hinter den Stadtmauern lädt eine Natur-Kneipp-Bad zum Wassertreten im Gebirgsbach ein – zu früh und kühl für unsere noch ungewanderten Füße. Wir folgen dem mit einem Roten Kreuz markierten Weg mal links, mal rechts der Püttlch und erleben hier im Oberen Püttlachtal auf zehn Kilometern nicht nur klares Wasser und dichte Wälder, sondern auch dramatisch-schöne Dolomit-Felspartien mit Höhlen und Quellen wie den Veilchenbrunnen: Der Sage nach sprudeln aus der klaren Quelle kleine Veilchen – wer daraus trinkt, soll von Halsschmerzen geheilt werden.

Bei der Mühlenruine Unterhauenstein geht es noch einmal über den Bach, dann ändert sich das Terrain. Statt flach am Bach im autofreien Tal, das eines der schönsten naturbelassenen Täler der Fränkischen Schweiz ist, geht es nun steil hinauf bis nach Prüllsbirkig. Drei Stunden sind, im wahrsten Sinn des Wortes, vergangen – da steigt die Vorfreude auf eine Mittagspause im weiträumig ausgeschilderten „Brotzeitstüberl“, des 1057 erstmals erwähnten Örtchens. Doch zu früh gefreut: Es ist Montag – und Ruhetag. So machen wir eine Pause mit eigenem Proviant, denn es sind die kleinen Genüsse, die eine Wanderung besonders machen. Apropos Genuss: Auch in Zeiten sich wandelnder Essgewohnheiten gilt die fränkische Bratwurst, gefüllt mit grobem Hack, noch als Wahrzeichen der Region. Noch bekannter aber ist Franken für die höchste Brauereidichte der Welt. Etwa 350 Biere werden hier in handwerklicher Braukunst gebraut, darunter klassische Sorten wie Kellerbier bzw. Zwickel, Rauchbier, Starkbier, Märzen, Weizenbier und viele andere. Begünstigt wurde die Braukultur Oberfrankens durch die Sandsteinschichten, die unter dem Jurakalk liegen. Denn der weiche Stein ist ideal, um darin weitläufige Lagerkeller anzulege, in denen das im Winter gebraute Bier bis zum Sommer haltbar war, als der Kühlschrank noch nicht erfunden war. So viel wie einst wird aber selbst in Franken heute nicht mehr getrunken: Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert lag der Durchschnittskonsum pro Kopf bei mehr als 200 Litern im Jahr – heute sind es 90 Liter, Tendenz fallend. Und selbst Traditionsbrauereien setzen zunehmend auf aktuelle Trends wie alkohlfreies Bier oder Mischgetränke.

Blick auf den Wanderort Pottenstein in der Fränkischen Schweiz. Foto: Christoph Schumann, 2021
Blick auf den Wanderort Pottenstein in der Fränkischen Schweiz. Foto: Christoph Schumann, 2021

Für uns geht es nach Prüllsbirkig  auf die letzten drei, vier Kilometer durch den Prüllwald – der Ortsname bedeutet „Dort im sumpfigen Birkenwald“ – hinunter zurück nach Pottenstein geht, das im Herzen des Naturparks Fränkische Schweiz – Veldensteiner Forst eines der tradtionsreichsten Ziele für Wanderer, Mountainbiker und andere Aktivurlauber und Naturliebhaber ist. Den Namen Fränkische Schweiz gaben der Region die Romantiker um 1800. Erstmals erwähnt das Gebiet um das Wiesenttal 1829 in einem Reiseführer des Bamberger Forschers Joseph Heller. Bekanntheit erlangte die Gegend durch die Entdeckung der Höhlen bei Muggendorf Berühmtheit und gilt als „Wiege der Höhlenforschung“. Erst nach den Forschwern und Bildungsreisenden kamen die Romantiker: Bei ihrer Pfingstreise 1793 durchquerten Ludwig Tieck und Wilhelm Wackenroder den Landstrich und beschrieben das „Land der Burgen, Höhlen Felsen und Täler“ schwärmerisch. Den beiden Dichtern folgten nahezu alle großen Reisenden der Romantik und machten die Fränkische Schweiz zu einer Art Synonym für die „romantische Landschaft“ an sich und lobten den „Schlupfwinkel des deutschen Gemüts“. Schon bald folgte eine immer größere Schar an Wanderern; ein beschildertes Wegenetz wurde angelegt. Im kleinen Streitberg begann 1852 der erste Kurbetrieb. Bald folgten Orte wie Muggendorf, Gößweinstein oder Pottenstein.


Weitere Reiseinformationen
Der Naturpark Fränkische Schweiz - Veldensteiner Forst ist mit rund 2300 qkm einer der größten Naturparke Deutschlands. Das Naturgebiet liegt im Herzen von Franken fast in der Mitte zwischen Nürnberg, Bamberg und Bayreuth. Der Naturpark wurde schon 1968 gegründet und umfasst den gesamten Raum des Nördlichen Frankenjura vom Obermaintail bei Lichtenfels im Norden bis zum Pegnitztal bei Hersbruck im Süden. Zentrum der Urlaubsregion Fränkische Schweiz ist der Fluss Wiesent und der Veldensteiner Forst, eines der größten geschlossenen Waldgebiete Bayerns. Charakteristisch für die Fränkische Schweiz ist besonders der sogenannte Nördliche Frankenjura, der – abgesehen von den Alpen – als felsen- und höhlenreichste Landschaft hierzulande gilt: die Karstlandschaft ist geprägt von bizarren Felsnadeln und Dolomitknocks. Wanderer finden darum in der Fränkischen Schweiz nicht nur rund 5.000 Kilometer markierter Wanderwege – mit rund 10.000 Klettertouren aller Schwierigkeitsgrade gilt der Frankenjura auch bei Sportkletterern, den Boulderern, weit über Franken hinaus als Topziel. Klassischer Kletterfelsen ist der „Adlerstein“ über dem Wiesenttal.

Naturpark Fränkische Schweiz – Veldensteiner Forst e.V.
www.fsvf.de

Tourismuszentrale Fränkische Schweiz
www.fraenkische-schweiz.com

 

Stand meiner Angaben: Oktober 2021