Mal spielerisch, mal politisch: Ausstellung MS Uferlos in Hamburg-Wilhelmsburg zeigt Skulpturen vor Hafenkulisse

Von Christoph Schumann

 

 

REPORTAGE Hamburg (cs). Street-Art statt Rock – wo sonst im August das Musikfestival MS Dockville stattfindet, sind in Hamburg-Wilhelmsburg vor der Industriekulisse des Hafens im MS Uferpark noch bis Ende September neun ungewöhnliche Kunstobjektive zu entdecken

 

Ein Museum. Und doch kein Museum. Eine Ausstellung – und doch wie zufällig platzierte Skulpturen im öffentlichen Raum. Eigentlich, in Corona-Zeiten aber fast schon normal, sollte auf dem Gelände des Uferparks in Hamburg-Wilhelmsburg in diesem August wieder wie in den letzten zehn Jahren das angesagte Festival MS Dockville stattfinden. Doch das Openair-Event zwischen Süderelbe, den Hafenbecken am Reiherstieg und der Industriekulisse aus historischem Rethe-Speicher zur einen – wie vor einhundert Jahren werden hier Kaffee, Saatgut oder Getreide gelagert – und modernen Logistikhallen zur anderen Seite musste wie viele andere Großevents abgesagt werden.

Doch auch wenn der Festivalsommer 2020 anders ist als üblich, wollten die Veranstalter zwar auf Rock und Hip-Hop, aber nicht auf alles verzichten, was den Spielort am Rande von Hamburg sonst ebenfalls ausmacht: Denn neben den musikalischen Highlights von MS Dockville hat sich parallel das experimentelle Kunstfestival MS Artville zu einer festen Größe etabliert, die Jahr für Jahr aufs Neue mit Kunst im öffentlichen Raum zum Nachdenken über die Frage „Wie wollen wir morgen leben?“ anregen will. Doch wo ist Abstand coronabedingt besser zu halten als unter freiem Himmel, dachten sich die Macher von MS Dockville und MS Artville, die Kopf & Steine GmbH und der Kunstfelder e.V. – und so entstand die Idee zum MS Uferpark. Insgesamt neun Objektive und Installationen sind nun bis Ende September auf und rund um die große Festivalwiese zu entdecken, die seit der Internationalen Gartenschau 2013 im urbanen Wilhelmsburg einen grünen Freiraum für natursuchende GroßstädterInnen bietet. Nicht alle Kunstwerke sind auf den ersten Blick zu finden, einige entdeckt man erst beim zweiten Hinschauen.

„Die Weiße Rose“ von Arkane – Wandmalerei auf einem Container. Foto: Christoph Schumann, 2020
„Die Weiße Rose“ von Arkane – Wandmalerei auf einem Container. Foto: Christoph Schumann, 2020

Zentraler Anziehungspunkt ist ein großer Container. Mitten auf der Wiese platziert, fallen beim Näherkommen zwei überlebensgroße Gesichter ins Auge. Köpfe und Arme zweier Jugendlicher. Auf seinem großflächigen Mural „Die Weiße Rose“ hat der französische Künstler Arkane die bekannte Fotografie von Traute Lafrenz und Hans Scholl, den Mitgliedern der NS-Widerstandsgruppe, in die Bildsprache von heute übertragen. Eine Wandermalerei, die Betrachter zu fragen anregt: Wie kann Widerstand morgen aussehen? Und gegen was muss er geleistet werden? Umrundet man den Container, findet sich gleich ein erster Hinweis, denn hier hat die Hamburger Street-Art-Malerin Anna T-Iron ganz aktuell auf die „Black Live Matter“-Bewegung verwiesen.

Nicht alle Werke im MS Uferpark sind aber derart schwer und politisch. Vieles wirkt leicht, bunt, geradezu sommerlich-fröhlich. Beispielsweise die farbenfrohen Dopppelköpfte „Face Corner“ vom Künstler Bona_Berlin, die menschliche Vielfalt zeigen wollen – und doch auch „nur“ als sommerlich-bunte Sitzgelegenheit dienen können. Oder die riesige Holzhand des Künstlerkollektivs Kalihara, die vielen BesucherInnen als ungewöhnlicher Hintergrund für Selfies dient. Die knallig-bunte Skulptur „Abweg“ von Darko Caramello Nikolic nutzt ebenfalls Holz als Material. Das begehbare Bauwerk lädt zum Gang auf neuen Pfaden. Unmittelbar davor kann und darf eine hohe Installation des Hamburger Künstlerduos We are visual als Basketballkorb genutzt werden. Wie die runde Spielplatte des rumänischen Künstlers Kitra dazu animiert, mit Farben und Flächen zu spielen – Tischtennisschläger und -ball dürfen mitgebracht werden. Dagegen nimmt sich die spanische Künstlerin Aida Gómez eines drängenden Themas an: Ihr drei Meter breiter „Green Roller“ ist Symbol und Mahnmal zugleich, das auf Wasserknappheit und Klimawandel verweist – mit Farbrollen wie dieser werden in Dürregebieten weltweit vertrocknete Rasenflächen grün angemalt. Illusion und Verdrängung zugleich.

Die begehbare bunte Skulptur „Abweg“ von Darko Caramello Nikolic. Foto: Christoph Schumann, 2020
Die begehbare bunte Skulptur „Abweg“ von Darko Caramello Nikolic. Foto: Christoph Schumann, 2020

Die Ausstellung

Die Skulpturenausstellung „MS Uferpark – ein Freiraum für Kunst“ ist noch bis 27. September zu sehen. Das Gelände am Reiherstieg-Hauptdeich/Alte Schleuse 23, 21107 Hamburg-Wilhelmsburg ist frei zugänglich. Der Eintritt ist frei. www.msdockville.de/ms-uferpark/