Sicherer Halt in Handarbeit – die Ledermanufaktur Ludwig Schröder in Uetersen

Katharina Schröder führt das Handwerk ihrer Familie in Uetersen weiter. Foto: Christoph Schumann, 2022
Katharina Schröder führt das Handwerk ihrer Familie in Uetersen weiter. Foto: Christoph Schumann, 2022

Von Christoph Schumann

 

PORTRÄT Uetersen (cs). Kaum habe ich die Tür zum Fabrikshop im zweistöckigen Klinkerbau geöffnet, umweht mich der angenehme Geruch von weichem Leder. Im Geschäft fällt der Blick auf bunte Ledergürtel, die in allen Farben von klassischem Schwarz und Braun bis Rot oder Gelb die Wände des historischen Gebäudes füllen. Auf kleinen Tischen und Aufstellern liegen Accessoires wie Schlüsseletuis, Stifteetuis und Portemonnaies, stehen Damentaschen oder liegen Schreibtischunterlagen. Seit fast zweihundert Jahren gehört Ludwig Schröder fest zum Firmenleben im südholsteinischen Uetersen. „Davon etwa die Hälfte der Zeit an unserem jetzigen Standort an der Stadtgrenze zu Tornesch“, erzählt Katharina Schröder, die den Familienbetrieb für Lederwaren in der siebten Generation führt.

Dass die lange Tradition des Unternehmens bis ins 21. Jahrhundert reichen würde, war allerdings nicht immer sicher – ganz im Gegenteil. Denn dass die Ludwig Schröder GmbH heute zu einem der letzten Akteure im immer kleiner gewordenen Feld der deutschen Lederindustrie zählt, verdanke sie nur der Umtriebigkeit und dem Innovationswillen des Großvaters und Vaters der 38-jährigen Firmenchefin. „Mein Vater kam in den 1970er Jahren auf die Idee, erste Gürtelmodelle zu entwerfen und herzustellen“, erinnert sich die studierte Volkswirtschafterin, die erst nach einem Ausflug in die Privatwirtschaft vor wenigen Jahren zu ihren Wurzeln zurückgekehrt ist. Ein Weg, der nicht geplant war, und doch folgerichtig wirkt, so Katharina Schröder: „Schließlich bin ich gemeinsam mit meinem Bruder schon als kleines Kind durch alle Räume und Hallen hier gerannt und habe mit vielen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gespielt, von denen einige schon seit Jahrzehnten bei uns tätig sind.“

Zentrum der Gerbereien

Damals, so die zweifache Mutter, war die Firma immer noch in Neuausrichtung weg vom alten Gründergeist hin zur Neuausrichtung, die aber auf dem alten Wissen und den alten Kompetenzen aufbaute: der fast 150-jährigen Erfahrung in der Bearbeitung von Leder. 1825 gründete Johann Schröder in Uetersen einen Gerbereibetrieb, der später an den jetztigen Standort umzog. Schröder war mit seiner Fabrik lange keineswegs allein: In Hochzeiten gab es im kleinen Uetersen rund zwanzig Gerbereien. Ihre Blütezeit erlebte die Lederindustrie hier Anfang des letzten Jahrhunderts. Hintergrund für den Aufstieg der Region waren zum einen das nahe Elmshorn mit seinen zahlreichen Rinderschlachthöfen, von denen die Gerbereien Felle bezogen, so Katharina Schröder. Hinzu kam die günstige Lage mit Anbindung an den Hamburger Hafen als größter Importhafen Europas für (Roh-)Häute. Meist bezog man von dort ebenfalls Rinderhäute, die überwiegend zu Leder für Schuhsohlen weiterverarbeitet wurde.

Letzter Schritt der Gürtelanfertigung ist das Vernähen der Schnalle bzw. Schließe, die sicheren Halt gibt. Foto: Christoph Schumann, 2022
Letzter Schritt der Gürtelanfertigung ist das Vernähen der Schnalle bzw. Schließe, die sicheren Halt gibt. Foto: Christoph Schumann, 2022

Das einst erfolgreiche Gewerbe der Gerberindustrie erlebte seinen Niedergang mit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre und dem folgenden Weltkrieg. In den Jahrzehnten danach folgten die Abwanderung der lederverarbeitenden Industrie aus Deutschland in Länder mit niedrigeren Löhnen. Ferner folgten immer stärkere Umweltauflagen, die für die meisten Gerbereien nicht mehr zu finanzieren waren. Auch Ludwig Arthur Schröder, immerhin Gerber in fünfter Generation, stellte 1964 seinen Betrieb auf neue Standbeine, sagt Enkelin Katharina Schröder. „Die alten Gerbgruben wurden zugeschüttet. Und wo man vorher 160 Jahre lang gegerbt hatte, wurde nun Leder zu Schuhabsätzen, Einfassbändern oder anderen Halbfertigprodukten für Industrie- und Großkunden verarbeitet. Das Knowhow rund um Leder war ja reichlich vorhanden.“ Mit Katharinas Vater Ludwig folgte dann der Umstieg auf erste Gürtelmodelle – und seither bildet die Produktion ausschließlich in Handwerk hergestellter Gürtel den Kern der Schröderschen Lederverarbeitung, die in die weitläufigen, hellen Hallen der einstigen Gerberei eingezogen ist.

Reiches Erbe: Firmenchefin Katharina Schröder mit einem historischen Foto der früheren Gerberei Schröder. Foto: Christoph Schumann, 2022
Reiches Erbe: Firmenchefin Katharina Schröder mit einem historischen Foto der früheren Gerberei Schröder. Foto: Christoph Schumann, 2022

Zukunft im Blick

Mit Blick auf die Zukunft ist die Geschäftsfrau optimistisch. Das Familienunternehmen werde auch weiterhin innovativ sein und sicher auch Marktnischen finden. Der Fokus aber liege auch weiterhin auf individuellen, wertigen Gürteln. Trends, aber auch gesellschaftliche Entwicklungen wie mehr Bewusstsein für Nachhaltigkeit, transparente Lieferketten und umweltfreundliche Materialien beobachtet Katharina Schröder dennoch ständig. Dies gilt auch für alternative Ersatzleder, das immer beliebter werdende sogenannte vegane Leder. „Wir verwenden nach wie vor nur Naturprodukte für unsere Gürtel“, so dazu Katharina Schröder. „Zum einen lässt sich die Faserstruktur von echtem Leder immer noch nicht nachbilden. Veganes Leder ist darum nicht reißfest und haltbar genug. Außerdem ist seine Herstellung ja leider alles andere als unproblematisch und umweltfreundlich.“ Darum sagt Katharina Schröder zwar nie nie, doch noch hält die Geschäftsfrau an dem fest, was ihre Familie kennt wie heute nur noch wenige: Leder. Und gutes Handwerk.

 

Mehr Informationen zur Manufaktur Ludwig Schröder:

Ludwig Schröder GmbH & Co. KG

Tornescher Weg 107

25436 Uetersen

www.ludwigschroeder.de

 

Stand meiner Recherche: Frühjahr 2022