Kulturvermittler aus Leidenschaft: Der Australier John Griffith unterrichtet auch mit 71 noch an einem internationalen Gymnasium in Hamburg

Der aus Australien stammende John Griffith ist seit mehr als 20 Jahren Englischlehrer am Deutsch-Französischen Gymnasium in Hamburg-Lokstedt. Foto: Christoph Schumann, 2021
Der aus Australien stammende John Griffith ist seit mehr als 20 Jahren Englischlehrer am Deutsch-Französischen Gymnasium in Hamburg-Lokstedt. Foto: Christoph Schumann, 2021

Von Christoph Schumann

 

PORTRÄT Hamburg (cs). Eigentlich wollte John Griffith schon im letzten Sommer in Pension gegangen sein. Eigentlich. Und wieso überhaupt „schon“? Denn mit 71 Jahren erfreuen sich andere LehrerInnen in der Regel meist schon länger über den gern so genannten Unruhestand. Doch als der gebürtige Australier gefragt wurde, ob er sich nicht vorstellen könne, doch noch ein weiteres Schuljahr am anzuschließen, war die Entscheidung schnell gefasst: „Ich wollte nicht aufhören, dazu hänge ich zu sehr an meinem Beruf“, sagt der Englischlehrer am Deutsch-Französischen Gymnasium (DFG) in Hamburg mit Blick zurück auf das vom Coronavirus überschattete Frühjahr 2020. „Das Unterrichten war für mich noch nie Arbeit im Sinne von Büro- oder sogar Fließbandarbeit, sondern Berufung statt Beruf. Ich genieße den Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern – heute genauso wie vor mehr als vierzig Jahren, als ich nach dem Studium erste Erfahrungen sammeln konnte.“ Dazu war Griffith klar, dass seine SchülerInnen infolge des ersten Lockdowns samt mehrmonatigem Homeschooling vor fast einem Jahr Nachteile und Wissenslücken im Unterrichtsstoff hatten, die er aktiv helfen wollte zu schließen.

Und so steht Griffith heute als einer der ältesten aktiven Lehrer Deutschlands immer noch an zwei Tagen in der Woche jeweils neun Stunden lang vor seinen Klassen Sekundar- und Oberstufe in der früheren Privatschule Lycée Français de Hambourg e.V. im Stadtteil Lokstedt nördlich der Alster. „Mich macht die Arbeit einfach glücklich“, sagt der von der australischen Insel Tasmanien stammende Griffith. „Ich gebe den Kindern etwas und bekomme dafür etwas zurück. Das sind nicht immer, aber im Idealfall glückliche Reaktionen von den SchülerInnen und manchmal auch den Eltern.“ Gleichzeitig sei die Wissensvermittlung ein Ansporn: „So merke ich, dass ich es noch kann. Man verlernt seine Kenntnisse ja nicht.“ Seit August ist die Schule offiziell ein staatliches Hamburger Gymnasium, was unter anderem eine Umstellung vom zuvor französischen auf das deutsche Schulsystem bedeutet – Trimester wurden zu Halbjahren, die Schulstunden dauern nun fünfundvierzig statt bislang fünfundfünfzig Minuten, das Notensystem wird von der Skala eins bis zwanzig auf sehr gut bis ungenügend verändert, um nach der zwölften Klassen allen Absolventen ein einheitliches deutsch-französisches Abitur zu garantieren. Noch eine Herausforderung für den erfahrenen Griffith, zusätzlich zum neuen plötzlich geforderten Lernen via digitaler Plattformen im Distanzunterricht.

 

Neuerdings auch Online-Unterricht

Doch dank der Hilfestellung jüngerer Kollegen und des IT-Spezialisten des DFG hat der von der australischen Insel Tasmanien stammende Griffith auch diese Hürde gemeistert. „Zugegebenermaßen fehlt mir der direkte Kontakt mit den Schülern“, beschreibt der studierte Philologe den Unterschied zum „analogen“ Lernen in der Klasse. „Aber ich versuche auch beim Homeschooling so weit wie möglich Normalität zu vermitteln und das Pensum einzuhalten, damit den aktuellen Jahrgängen später in Studium oder Beruf möglichst keine Nachteile entstehen“, so der 1949 in Hobart geborene Australier, dessen britische Wurzeln sich bis 1778 zurückverfolgen lassen. Allerdings habe ich einiger Diskussionen mit SchülerInnen und teils auch Eltern bedurft, um sicherzustellen, dass sich alle Kinder im Onlineunterricht auch über ihre Webcam zeigen. Was viele aus Gründen des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte nicht oder nur sehr ungern tun. „Im Sprachunterricht muss man die Kinder nicht nur hören, sondern auch sehen“, weiß Griffith aus seiner Jahrzehnte langen Erfahrung als Englischdozent, „denn gerade Lautbildung und Intonation kann ich nur korrigieren und verbessern, wenn ich sehe, wie die Kinder Töne und Worte formen. Genauso wie sie bei mir sehen und lernen, wie ich Wörter und Sätze ausspreche.“ Schon mit Mund-Nasen-Schutz sei dies im Herbst kaum möglich gewesen.

John Griffiths hat schon Generationen von SchülerInnen unterrichtet – in Sydney und Hamburg. Foto: Christoph Schumann, 2021
John Griffiths hat schon Generationen von SchülerInnen unterrichtet – in Sydney und Hamburg. Foto: Christoph Schumann, 2021

Seine Leidenschaft für Pädagogik ergriff den Lehrer während des Studiums von Englisch und Deutsch in seiner Heimatstadt Hobart. „Ich hatte so tolle Professoren, die für mich bis heute Vorbilder sind“, erinnert sich Griffith an die Zeit in den 1960er Jahren. „Dazu zählte unter anderem mein Deutschprofessor, ein vor den Nazis geflüchteter polnischer Jude. Er war eine beeindruckende Persönlichkeit, der nicht nur Grammatik und Syntax vermittelte, sondern die ganze Breite der humanistischen europäischen Tradition vermittelte – von Literatur über Philosophie bis zu Geschichte.“ Das verstärkte das Interesse des jungen Studenten Griffith am fernen Europa noch mehr – denn geweckt war es beim jungen klavier- und orgelbegeisterten Musiker schon seit Jugendjahren: „Chopin oder Buxtehude kannte ich längst. Nur leider konnte man in Hobart nicht Musik studieren.“ So kam der Student Anfang der 1970er erstmals dank eines DAAD-Stipendiums für ein Auslandsjahr nach Deutschland, angetrieben nicht zuletzt von der Liebe zur norddeutschen Orgellandschaft: „Mich beeindruckten und beeindrucken besonders die Orgeln von beispielsweise Arp Schnitger.“

 

Fasziniert von Internationalität und norddeutscher Orgelkunst

Doch ehe Griffith ganz Deutschland zu seinem Zuhause machen sollte, arbeitete er ab 1978 fast zwanzig Jahre lang als Lehrer an einer Privatschule in Sydney. Eine Zeit, an die sich der vielsprachige Australier gern erinnert. Der vielsprachige Pädagoge unterrichtete Englisch, Deutsch und Französisch sowie „General Studies“ – „ein Fach, das mir die Chance bot, mit den Jugendlichen die ganze Bandbreite und Themenwelten von Ethik, Philosophie bis hin zu religiösen Fragen oft anhand von tagesaktuellen Ereignissen zu diskutieren und vertiefen.“ Griffith brachte dies vor allem deshalb viel Spaß, weil an der multikulturellen Schule SchülerInnen aus mehr als fünfzig Nationen von Asien bis Europa eine spannende, weltoffene Melange bildeten. Eine Kombination, die ihn auch heute noch am Hamburger Gymnasium mit seinen etwa zwanzig Nationalitäten fasziniert. Dass der Weltbürger Griffith einmal ganz nach Europa kommen würde, stand für ihn schon früh fest: „Ich wollte immer im Land von Bach und Beethoven leben“, lacht der Junggebliebene.

 

Hamburg war denn auch 1996 aus privaten Gründen Griffth’ erster Anlaufpunkt. Vier Jahre lang arbeitete er zunächst freiberuflich als Englischlehrer an einer Sprachenschule, ehe er auf einen persönlichen Tipp hin wieder in seinem Traumberuf an einer „richtigen“ Schule einsteigen konnte. Ob Griffith sogar noch über das laufende Schuljahr hinaus aktiv vor seinen Klassen stehen wird, ist noch offen. „Ans Aufhören denke ich wirklich immer noch nicht, das liegt mir nicht“, so eine Überzeugung. Auch wenn die Arbeit heute eine andere ist als vor Jahrzehnten. Die Jugendlichen seien seiner Beobachtung nach weniger spontan als damals, weniger offen für Neues. Griffith: „Oft sind sie nicht mehr so neugierige Kinder, wie sie sein sollten. Das hat ganz sicher viel mit der starken Orientierung auf Computer, Smartphone und Internet zu tun.“ Wie auch die breite Bildungsvermittlung im Grunde der Fokussierung auf enge Kompetenzen gewichen sei. „So gesehen sind auch LehrerInnen ganz klar Dienstleister geworden und weniger Pädagogen oder Kulturvermittler als früher“, überlegt Griffith. Sein Ansporn bleibe dies aber dennoch.

 

Copyright Idee, Text, Fotos: Christoph Schumann, Hamburg, 2021