Zwiesel, das Arberland und der Bayerische Wald: Zukunft aus Glas und Wald

Die Zwieseler "Glaskönigin" Susanne Glanzner in der Glasfachschule in Zwiesel bei der Arbeit vor dem Ofen. Foto: Christoph Schumann, 2023
Die Zwieseler "Glaskönigin" Susanne Glanzner in der Glasfachschule in Zwiesel bei der Arbeit vor dem Ofen. Foto: Christoph Schumann, 2023

REPORTAGE Zwiesel (cs). Wenn die Glaskönigin von ihrer Kunst spricht, kommt sie schnell ins Schwärmen: „Glas ist ein Werkstoff, der sich schnell verändert“, sagt Susanne Glanzner. Seit dem Sommer amtiert die 30-Jährige, die an der renommierten Glasfachschule in Zwiesel gerade ihre Ausbildung zur Glasmacherin absolviert, für einen der über Jahrhunderte wichtigsten Berufe im Bayerischen Wald. Hunderte Glashütten gab es in der Grenzregion zwischen Donau und dem tschechischen Böhmen, deren Blütezeit mit der Erzeugung von immer mehr Massenware und Abwanderung ganzer Betriebe in Billiglohnländer heute nur noch wenige überlebt haben. Darunter aber bekannte Namen wie Zwiesel Kristallglas, das nur wenige Gehminuten von der Glasfachschule – mit 260 Schülern und Schwerpunkten für Glasbläser, Glasmacher, aber auch Glasapparatebauer, Schleifer, Graveure und viele mehr eine der großen deutschlandweit – entfernt liegt

Von Glashütten und Glasmachern

Die drei markanten Schornsteine der Glashütte prägen das Stadtbild der 10000-Einwohner-Gemeinde am Kleinen Regen und sind mit rund 650 Mitarbeitern einer der großen Arbeitgeber der Urlaubsregion Arberland. 250.000 Gläser entstehen hier in hochmodernen Glasöfen – Tag für Tag. Sie machen Zwiesel Glas zu einem Weltmarktführer in Sachen Tischglas. Die meisten für Gastronomie und Restaurants im In- und Ausland, aber auch für den Fachhandel. Doch auch das traditionelle Handwerk wird gepflegt: An Schauöfen blasen erfahrene Glasmacher noch fast wie zu den Anfängen der Glaskunst vor tausenden Jahren mit einer sogenannten Glaspfeife bunte Unikate wie Vasen, Gläser oder die einst besonders in Bayern populären bunten Glasfläschchen für Schupftabak. Das „gschundene Glas“ – nämlich Arbeiten, die die Glasmacher auf eigene Rechnung nach Feierabend oder in der Pause erstellen – können Besucher für wenig Geld als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Im nahen Bodenmais dürfen Gäste im Joska Glasparadies sich sogar selbst in der Kunst des Glasblasens versuchen: Kleine Glas"macher" können unter Anleitung von Profi Joachim Müller vor dem etwa 1500 Grad Celsius heißen Glasofen formschönes wie Glas- oder Bewässerungskugeln selbst herstellen – und schon nach wenigen Minuten als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Spezialisiert hat sich Joska auf die Herstellung von Glaspokalen und anderen Auszeichnungen aus dem zerbrechlichen Material. Ob FIS-Skiweltcup, Tour de France, Olympische Spiele oder Bodybuilding: Sportler aus aller Welt haben eine gläserne Ehrung aus Bodenmais zuhause im Regal stehen. Joska war ein Pionier für Glasschliff im Bayerischen Wald und hat diese Kunst heute auf ein besonderes Niveau gehoben, das seinesgleichen sucht.

Glasgeschichte im Glasmuseum Frauenau

Dass die Geschichte des Glasmachens ursprünglich in Mesopotamien begann, erfahren Neugierige im Glasmuseum in Frauenau. Nur fünfzehn Bahnminuten mit der regionalen Waldbahn sind es von Zwiesel in den beschaulichen Ort (s. Reiseinformationen), in dem mehr als dreißig Glasskulpturen von international bekannten Künstlern als – ganzjährig geöffnete – „Gläserne Gärten“ die beiden Glashütten Poschinger und Eisch miteinander verbinden. Im Zentrum des sehenswerten Weges liegt das staatliche Glasmuseum, dessen imposante Sammlung von einst bis heute reicht: „Wir nehmen Besucher mit auf eine Zeitreise von der frühen Glasherstellung im Zweistromland und in Ägypten bis in die Gegenwart“, so Kurator Sven Bauer zum Konzept des Hauses, das neben einer festen alljährlich auch zwei Sonderausstellungen zeigt. „Dabei geht es vom Mittelalter über den Barock bis zum Jugendstil und weiter.“ Höhepunkt im Glasmuseum sind neben einer beeindruckenden Sammlung der typischen Schnupftabakgläser vor allem Unikate nationaler und internationaler Glaskünstler des 20. und 21. Jahrhunderts darunter Highlights wie das vergoldete Telefon des aus dem Ort stammenden Erwin Eisch.

Der Naturpark Bayerischer Wald – Erlebnis (auch) für Aktive

Dass der Wald der Region, der einst Holz zum Heizen der tausende Glasöfen sowie Pottasche als Material zur Glasherstellung lieferte, heute in erster Linie Erholungsraum ist, weiß Hartwig Löfflmann. Als Geschäftsführer des Naturparks Bayerischer Wald e.V. ist der studierte Forstwissenschaftler für den Einklang von Kultur und Natur im fast 3000 Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Donau, Vorbergen bis hin zum fast 1500 Meter hohen Großen Arbeiter zuständig.  „Wir nennen uns hier im Grenzgebiet nicht nur das Grüne Dach Europas“, sagt Löfflmann beim Rundgang durch das Besucherzentrum NaturparkWelten im Grenzort Bayerisch Eisenstein, „wir sind es auch.“ Wenn Not am Mann und Personal knapp ist, führt der Naturparkchef auch Gäste auch einmal persönlich und im Gewand eines Bahnbeamten aus der Länderbahnzeit anno 1877 durch den eindrucksvollen historischen Grenzbahnhof am Übergang von Bayern bzw. Deutschland nach Tschechien. Ausstellungsschwerpunkte zum „König Arber“, zur Geschichte von Skilang- und Abfahrtslauf hier in Ostbayern, zu Kultur, Geologie und Ökologie im bayerischen-böhmischen Grenzraum sowie zur lokalen Eisenbahngeschichte samt dazugehörer Modellbahn lohnen die Anreise. Und wer aktiv sein möchte, kann gleich vor der Museumstür beginnen: Rund 7000 Kilometer markierter Wanderwege führen durch den 1967 gegründeten Naturpark. Hinzu kommt ein ausgehntes Netz von rund 300 Wegen im angrenzenden Nationalpark – mit weiteren hunderten Kilometern herbstlicher Aktivmöglichkeiten.

Reiseinformation und Tipps für Zwiesel und die Region Arberland


Anreise:
Zwiesel im Bayerischen Wald liegt rund 770 Kilometer beispielsweise von Hamburg entfernt. Die Anreise dauert rund 8 Stunden. Mit der Deutschen Bahn ist es über Hannover, Würzburg und Plattling und weiter mit der Wälderbahn bis Zwiesel ebenfalls bequem in rund 8 Stunden erreichbar.

 

Unterkunftstipp: Das Hotel Kapfhammer in Zwiesel liegt nur wenige Minuten vom Bahnhof entfernt und damit ideal für (Bahn-)Ausflüge in die Region. Das familiengeführte Haus mit Restaurant bietet Einzelübernachtungen, aber auch attraktive Wochenpauschalen für Einzelreisende, Paare oder Familien an. Holzweberstraße 6–10, 94227 Zwiesel, Tel. 09922 / 84310, www.hotel-kapfhammer.de


Vor Ort unterwegs:
Im Arberland leben rund 80.000 Einwohner. Zwiesel ist bei Bus und Bahn der Verkehrsknotenpunkt der gesamten Region – und ein perfekter Ausgangspunkt für zahlreiche Aktivitäten, die man ohne eigenes Auto mit der Waldbahn sowie den Regional- und Igelbussen im Bayerischen Wald fast im Stundentakt erreichen kann. Tipps für Tagsausflüge bietet u.a. die Website der Waldbahn: www.laenderbahn.com/waldbahn/ mit Fahrplänen etc..
Fahrplanauskunft für Busse- und Bahnen im Bayern-Fahrplan www.bayern-fahrplan.de/de/auskunft

Aktivitäten:
Der Nationalpark Bayerischer Wald bildet zusammen mit dem Nachbar-Nationalpark Šumava in Tschechien das größte zusammenhänge Waldschutzgebiet Mitteleuropas. Die Natur darf sich hier nach ihren ureigenen Gesetzen entfalten. In Deutschlands ältestem Nationalpark zwischen den Bergen Falkenstein, Rachel und Lusen leben mehr als 13.700 Arten – das sind etwa 19 % aller in hierzlande bekannten Lebewesen. Ein durchgehend marktiertes Wanderwegenetz gibt Aktivurlaubern auf 350 km die Möglichkeit, den Nationalpark zu entdecken. Dazu finden Mountain-, Gravel- und Tourenbiker 200 km beschilderter Radwege. www.nationalpark-bayerischer-wald.bayern.de
Mehr zum Naturpark Bayerischer Wald, zu seiner Entstehung, den Zielen, Aktivitäten wie Wandern, Radfahren und mehr bietet www.naturpark-bayer-wald.de

 

 

Stand der Reportage und aller Informationen: Oktober 2023

 

Das Waldmuseum in Zwiesel bietet einen sehenswerten Überblick über Natur und Kultur des Bayerischen Waldes. Foto: Christoph Schumann, 2023
Das Waldmuseum in Zwiesel bietet einen sehenswerten Überblick über Natur und Kultur des Bayerischen Waldes. Foto: Christoph Schumann, 2023