Vom Wattführer zum Welterbebewahrer – der dänische Ranger Klaus Melbye

Der Eingang zum neuen Wattenmeercenter in Vester Vedsted bei Ribe. Foto: C. Schumann, 2017
Der Eingang zum neuen Wattenmeercenter in Vester Vedsted bei Ribe. Foto: C. Schumann, 2017

Vester Vedsted/Ribe. Das neue Wattenmeercenter im dänischen Vester Vedsted entführt Besucher auf fast 3000 Quadratmetern in einen der wertvollsten Naturräume der Welt – und zum Arbeitspatz von Naturguide Klaus Melbye.

Der Arbeitsplatz von Klaus Melbye ist jeden Tag anders. Nicht nur das: Jede Minute ändert das Wirkungsfeld des 58-jährigen Naturguides. „Das Wattenmeer ist ständig in Bewegung“, sagt der dänische Biologe. „Ebbe und Flut, Sonne, Wind, Wellen und Wolken, Meerestiere und Zugvögel – die Küstenlandschaft erlebt einen permanenten Wandel.“ Kein Wunder, dass Melbye auch nach 25 Jahren immer noch voller Neugier steckt: „Das Wattenmeer ist weltweit das Ökotop mit der höchsten biologischen Produktion überhaupt. Erneuerung und Vergehen lassen sich hier hautnah miterleben.“

Darum ist Melbye trotz seiner Büroarbeit als Direktor des Wattenmeercenters im kleinen Vester Vedsted bei Ribe in Südwestjütland immer noch so oft wie möglich draußen, um dänischen oder deutschen Naturfreunden die Schönheit seiner Region zu zeigen.

 

„Am liebsten bin ich draußen auf Mandø“, schwärmt Melbye begeistert. „Auf Marschen und Sandbänken rund um unsere kleinste Wattemeerinsel leben hunderte Seehunde. Und zu den Austernbänken sind es auch nur wenige Meter.“ Besonders faszinieren den Südjüten auch nach zwei Jahrzehnten im dänischen Watt – das seit 2010 mit 147.000 Hektar größter Naturpark im Königreich, seit 2014 sogar Unesco-Welterbe ist – immer noch Frühjahr und Herbst: „Bis zu 18 Millionen Zugvögel besuchen uns dann auf ihrem Weg von Süden nach Norden oder umgekehrt, der durch beeindruckende 33 Länder führt. Vogeltouren zu ›Sort Sol‹, der Schwarzen Sonne, wie der Formationsflug riesiger Schwärme am Himmel auf Dänisch heißt, genieße ich mit meinen Gästen immer aufs Neue.“

 

Melbyes ganzer Stolz ist darum auch das vor wenigen Wochen eröffnete Wattenmeercenter. Schon das Äußere des 4,8 Millionen Euro teuren Erlebnismuseums ist spektakulär schön: Die dänische Architektin Dorte Mandrup kombinierte für ihren nordisch-funktionalen Entwurf modernes Bauen mit traditionellen regionalen Materialien wie Stroh. Im Innern vermittelt die Dauerausstellung „Die Zugvögel des Wattenmeeres“ Besuchern auf 2.800 Quadratmetern in multimedialer Form Hintergründe zu Flora und Fauna der Landschaft, zu Leben und Routen von Zugvögeln wie Staren, Gänsen, Störchen, Kranichen und vielem mehr. Sogar seltene Gäste wie Seeadler sind inzwischen wieder im sensiblen Ökotop zuhause.

 Klaus Melbye – seit 25 Jahren Naturguide und Direktor des Wattenmeercenters. Foto: C. Schumann, 2017
Klaus Melbye – seit 25 Jahren Naturguide und Direktor des Wattenmeercenters. Foto: C. Schumann, 2017

Auf die Frage, ob sich die Natur im Wattenmeer in den 25 Jahren seiner Tätigkeit geändert hat, muss Klaus Melbye nicht lange überlegen: „Ja. Zum einen kommen die Zugvögel heute einige Wochen früher als noch vor einem Vierteljahrhundert. Und auch die Anzahl der Arten ändert sich stetig – zum Beispiel zählen wir gut zehn Prozent mehr Weißwangengänse.“ Auch die Austern vermehrten sich rasch. Rund 500 Tonnen der aus Asien eingewanderten Pazifikaustern leben allein im dänischen Teil des von Holland über Deutschland bis nach Dänemark reichenden Unesco-Welterbes Wattenmeer derzeit auf den Muschelbänken – Tendenz steigend.

Aus der Dauerausstellung: Reagenzgläder mit Proben aus dem Watt von Erde bis Luft. Foto: C. Schumann, 2017
Aus der Dauerausstellung: Reagenzgläder mit Proben aus dem Watt von Erde bis Luft. Foto: C. Schumann, 2017

Und noch etwas beobachtet Melbye seit einigen Jahren erfreut: „Immer mehr Menschen begeistern sich für die Natur. Das Bewussstein, dass wir wertvolle und unersetzliche Naturräume schützen und für nachfolgende Generationen erhalten muss, wächst.“ Der der Landbevölkerung wie etwa den regionalen Bauern, die die ganze Vielfalt ihrer Heimat zu respektieren lernen. Noch mehr aber bei Großstädtern. „In der Natur zu sein wird für immer mehr Menschen wichtiger. Natur bedeutet gerade als Ausgleich zu Stress und Hektik im Alltag für viele so etwas wie Freiheitsdrang. Diesen auszuleben und in Freizeit und Urlaub draußen zu sein, ist heute viel akzeptierter als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren“, freut sich Melbye.

 

 

 

 

Information

Das neue dänische Wattenmeercenter liegt in Vester Vedsted an der Nordseeküste und rund zehn Kilometer südwestlich von Ribe, Dänemarks ältester Stadt. Neben der festen Ausstellung im Hauptgebäude bieten die ausgebildeten Naturführer des Centers in diesem Jahr rund 700 Touren für Thementouren wie Austern- und Seehundsafaris, Wattwanderungen, Wanderungen zur Watteninsel Mandø, zu Zugvögeln (z.B. zum Starenzug in Frühling und Herbst) u.a. an. Die Ausstellung ist von Mai–Sept. tgl. 10–17 Uhr, von Oktober–April tgl. von 10–16 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 14 Euro für Erw. und 7 Euro für Kinder. Adresse: Okholmvej 5, Vester Vedsted, DK-6760 Ribe, Tel. 0045- 75446161, www.vadehavscentret.dk/de. Reiseinformationen zur Region auf www.süddänischenordsee.dk