Von jungen Wilden zu alten Meistern: Baselitz, Richter, Polke und Kiefer in den Hamburger Deichtorhallen

Blick in die "Jungen Jahre der alten Meister". Foto: Chr. Schumann
Blick in die "Jungen Jahre der alten Meister". Foto: Chr. Schumann

Hamburg. "Sie alle sind Maler, die in einer Zeit großgeworden sind, in der klassische Malerei verpönt war", sagte Götz Adriani zur von ihm komponierten Ausstellung "BASELITZ – RICHTER – POLKE – KIEFER:

DIE JUNGEN JAHRE DER ALTEN MEISTER"bis 5. Januar 2020 in den Hamburger Deichtorhallen. Die Sonderschau in der Halle für aktuelle Kunst präsentiert mehr als 100 Werke auf dem Frühwerk vier der größten deutschen Nachkriegskünstler, die bis auf Anselm Kiefer alle auch eine deutsch-deutsche Geschichte haben. Auf den folgenden Schaffensperioden stammen die Werke: Die Jahre 1959–1969 bei Georg Baselitz, 1962–1969 bei Gerhard Richter, 1963–1969 bei Sigmar Polke sowie 1969–1977 bei Anselm Kiefer.

"Sie alle kamen zur Malerei, als Fluxus oder Beuys en vogue waren", sagte Kurator Adriani, der langjährige Leiter der Kunsthalle Tübingen. Es sein keine Heldenverehrung seinerseits, die vier großen Namen in einer gemeinsamen Ausstellung – gleichwohl getrennt gehängt und nicht thematisch geordnet – zu vereinen, sondern ein historischer Tatbestand, dass "Baselitz, Richter, Polke und Kiefer die größten Kreativen ihrer Zeit sind. Alle hätten sich mit je eigenen Mitteln mit ihrer Zeit, mit ihrer Herkunft auseinandergesetzt – den Kriegs- und Nachkriegsjahren allen voran. So sei der in Dresden geborene Gerhard Richter nach seiner Übersiedlung nach Düsseldorf vom Maler des Sozialistischen Realismus zu einem Erneuerer geworden. "Seine gemalten Fotos sind zeitgeschichtlich und dennoch modern, so Adriani: "Richter nimmt zum einen private Fotos und interpretiert sie neu. Vor allem aber findet er Motive in Zeitschriften wie Stern, Bunte oder Quick, die in den 1960ern- und frühen 70ern als Medium allgegenwärtig waren". Ähnlich verhalte es sich mit Polkes großformatigen Malereien, die auf die Drucktechnik und den Siebdruck aufbauten bzw. verwiesen.

Die Ausstellung bietet einen neuen und umfassenden Blick auf die frühen Werke der heutigen Malerstars. Jeder dieser Künstler hat auf seine Art die damalige ästhetische Vorherrschaft der Abstraktion überwunden und auf individuelle Weise das gesellschaftliche und politische Spannungsfeld der jungen Bundesrepublik in seinen Werken verdichtet.

Alle vier Künstler, die in dieser Ausstellung erstmalig gemeinsam gezeigt werden, schufen in den spektakulären 1960er-Jahren wesentliche Voraussetzungen für die beispiellose Wertschätzung, die ihnen später national wie international zuteil wurde. Während der ungemein kreativen und produktiven 1960er-Jahre legten sie das Fundament dafür, dass Jahrzehnte danach gerade ihre Werke in den Fokus des weltweiten Kunstinteresses gerückt sind.

Abgesehen von Sigmar Polke, der 2010 verstorben ist, unterstützen alle drei Künstler das Ausstellungsvorhaben nicht nur mit Leihgaben aus ihrem Besitz, sondern auch durch die Bereitschaft, in ausführlichen Gesprächen und Interviews auf ihr jeweiliges Frühwerk und dessen besonderen Stellenwert einzugehen. Diese Gespräche erscheinen im umfangreichen Begleitkatalog. Gastkurator Götz Adriani ist dieses Projekt zu verdanken. Der renommierte Kunsthistoriker ist nicht nur ein Weggefährte dieser Generation, sondern auch den Protagonisten der Ausstellung freundschaftlich verbunden.

Mit dieser Ausstellung "BASELITZ – RICHTER – POLKE – KIEFER: DIE JUNGEN JAHRE DER ALTEN MEISTER" feiern die Deichtorhallen Hamburg am 9. November ihr 30-jähriges Jubiläum.

 

Hintergrund

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen.

 

Öffnungszeiten der Deichtorhallen:

Dienstag – Sonntag, 11–18 Uhr

Jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat bis 21 Uhr (außer an Feiertagen)

Feiertagsöffnungen: 3. und 31. Oktober, 25. und 26. Dezember: 11–18 Uhr, Neujahr: 13–18 Uhr, geschlossen an Heiligabend und Silvester

 

www.deichtorhallen.de

Siegmar Polkes "Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen" in den Deichtorhallen. Foto: Chr. Schumann
Siegmar Polkes "Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen" in den Deichtorhallen. Foto: Chr. Schumann