Von Christoph Schumann
REPORTAGE Hamburg (cs).Still steht ein Graureiher im flachen Wasser des Mühlenteichs und genießt die Vormittagssonne. In Ufernähe schwimmt eine Entenfamilie mit ihren Jungen, immer in Reichweite des sicheren Nests. Erst wenige Schritte sind Hannelore Fielitz und ich von unserem Treffpunkt am S-Bahnhof Hamburg-Ohlsdorf auf dem Alsterwanderweg gegangen und schon wirkt es, als lägen Großstadtlärm und -hektik bereits Stunden hinter uns. „Der Alster von hier nach Norden zu folgen, gehört für mich zu den schönsten Wanderungen Hamburgs“, sagt die 67-Jährige. „Denn sobald man unter der Brücke am Ratsmühlendamm die Hektik der quirligen Viertel Fuhlsbüttel und Ohlsdorf hinter sich lässt, taucht man ein in den Blätterwald am Fluss und ist ganz von Natur umgeben.“
Und Hannelore Fielitz weiß, wovon sie spricht. Die frühere Mathematik- und Geografielehrerin ist nicht nur stellvertretende Vorsitzende der Wanderfreunde Hamburg e.V. – die passionierte Wanderin und Radfahrerin ist auf dem Alsterwanderweg quasi zuhause und kennt entlang des Wasserlaufs von der Quelle bis zur Elbe quasi jede Uferstelle und jeden Baum. Der Grund: Seit rund drei Jahren kümmert sich Hannelore Fielitz als Wegewart um Markierung des beliebten Wanderwegs, der über knapp zwanzig Kilometer vom hafennahen Baumwall im Süden bis nach Kayhude kurz hinter der Stadtgrenze in Schleswig-Holstein nach Norden führt. Oder umgekehrt, je nach Gehrichtung. „Mindestens zweimal im Jahr bin ich auf ›meinem‹ Weg unterwegs“, berichtet Fielitz, die als eine von sechs Wegewarten des Vereins ehrenamtlich für ein zweifelsfreies Wandervergnügen in Hamburg sorgt. „Auf jeden Fall immer zu Beginn der Wandersaison im Frühjahr. Und meist auch noch einmal im Frühsommer oder Sommer.“
Von B nach K
Gerade nach dem Winter sei es wichtig zu sehen, ob die bekannten gelben Pfeile – die auf Hamburger Stadtgebiet darüber hinaus an einem schwarzen Rahmen zu erkennen sind – die kalte
Jahreszeit alle heil und vor allem gut erkennbar überstanden haben. „Es passiert immer wieder, dass Bäume mit Markierungen dem Sturm nicht standhalten, wie im letzten Winter.“ Ein anderes Problem
sei Vandalismus: Nicht selten werden gelbe Pfeile zerkratzt oder übermalt und müssten deshalb ersetzt oder neu gemalt werden. In ihrem leuchtend orangen Werkzeugkasten, den Fielitz auf ihren
Inspektionsgängen immer bei sich hat, finden sich allerdings nicht nur witterungsbeständige Acrylfarbe und kräftige Pinsel. Auch Aufkleber mit dem gelben Pfeil hat die Wanderführerin im Gepäck.
Sie kleben beispielsweise an Brückengeländern oder Schildern und signalisieren ebenfalls den Verlauf des Alsterwanderwegs von „B“ wie Baumwall nach P wie „Poppenbüttel“ beziehungsweiter bis „K“
wie Kayhude. „So soll jede Wanderin und jeder Wanderer ohne Karte oder App dem Verlauf sicher folgen können“, so Fielitz. Und das nicht nur an Abbiegungen oder Gabelungen, sondern dank sogenannte
Bestätigungsmarkierungen auch bei längeren Geradeausstrecken.
Gelbe Pfeile, gemalt und geklebt
Während die Alster zur Elbe hin kanalisiert an Villen, Gärten und Rathaus vorbeifließt, folgen wir den naturnahen Flussbiegungen an den Wiesen des Alsterparks in Klein Borstel vorbei bis zum
nahen Teetzpark. WanderInnen sind an diesem Frühsommervormittag kaum unterwegs. Nur wenige Jogger, Radfahrer und Hundebesitzer genießen den Abstand zur Hektik der Stadt, die zwar optisch, aber
nur selten akustisch wirklich ausgeblendet ist – der Verkehr von Ausfallstraßen wie Brombeerweg oder Wellingsbütteler Landstraße bleibt doch hörbar. „Dennoch freue ich mich immer wieder daran,
wie grün der Alsterwanderweg und wie grün Hamburg überhaupt ist“, erklärt Fielitz ihre und die Motivation ihrer MitstreiterInnen. Rund vier bis fünf Stunden ist die Ehrenamtlerin auf ›ihrem‹
Wanderweg jeweils unterwegs, bis gelbe Pfeile oder schwarze Rahmen neu gemalt, frische Aufkleber verteilt sind. Dabei bilden die Markierungsarbeiten nur einen Teil ihres Engagements bei den
Wanderfreunden: Wie viele andere bietet Fielitz als Wanderguide auch Gruppenwanderungen in Hamburg an – von Finkenwerder bis Schnelsen. „Das Interesse daran ist wieder deutlich gewachsen“, sagt
Fielitz, „nachdem wir in den Lockdownphasen ja keine Touren anbieten durften.“ Dafür erlebte individuelles Wandern auch in Großstädten wie Hamburg gerade in der ersten Coronazeit als aktiver
Ausgleich zum häuslichen Distanzwahren einen ungeahnten Aufschwung. Teils war der Andrang sogar so groß, dass Wanderwege oder -parkplätze gesperrt werden mussten.
Schön zu jeder Jahreszeit
Ins Gespräch vertieft, folgen wir dem Alsterwanderweg weiter zum Tagesziel Poppenbüttel. Ein kleiner Abstecher bringt uns zum denkmalgeschützten Herrenhaus Wellingsbüttel mit seinem Torhaus,
einst ein Pferdestall und heute Ort für Kultur oder Hochzeiten. Auf die Frage, was sie an ›ihrem‹ Weg besonders mag, muss Hannelore Fielitz nicht lange überlegen: „Die Stimmung ist jedes Mal
anders. Und jede Jahreszeit hat ihre eigene Schönheit.“ Ganz besonders aber liebe sie das späte Frühjahr, wenn das unter Naturschutz stehende Alstertal die verschiedensten Grüntöne trage. Und
gibt es Wünsche, die die Wanderexpertin hat? Da fallen Fielitz spontan zwei ein: „Zum einen stehen unterwegs zu wenig Bänke, finde ich. Und es wäre schön, wenn der Hamburger Verkehrsverbund ab
und an auf Bus- oder S-Bahn-Haltestellen hinwiese.“ Dann hätten Wanderer etwa bei Müdigkeit oder schlechtem Wetter die Möglichkeit, spontan ihre Tour zu unterbrechen. Das müssen wir an diesem
Junitag zum Glück nicht. Rund drei Stunden oder knapp acht Kilometer nach dem Aufbruch in Ohlsdorf erreichen wir die S-Bahn in Hamburg-Poppenbüttel. Und verabschieden uns mit dem festen Vorsatz,
bald weiter bis Kayhude zu wandern. Oder doch lieber zum Baumwall und an die Elbe?
Hintergrund und Informationen
Norddeutschlands Wanderwege werden vom Wanderverband Norddeutschland e.V. markiert und gepflegt. Insgesamt kümmert sich der Wanderverband Norddeutschland – zu dem
Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und das nördliche Niedersachsen gehören – um die Markierung eines Wegenetztes von rund 2.700 km. Darunter sind lokale und regionale Wege ebenso wie die
Europawanderwege E1, E6 und E9. Insgesamt sind laut Verband etwa 50 ehrenamtliche MarkiererInnen im Wanderverband Norddeutschland aktiv.
In und um Hamburg sind auf 680 km Wegenetz zurzeit sechs MarkiererInnen der Wanderfreunde Hamburg e.V. – der Wanderverband Norddeutschland zählt insgesamt sogar 15
Wanderwartinnen, darunter auch nicht organisierte Ehrenamtliche – für 33 regionale Wege mit dem gelben Pfeil sowie den Europaweg E1 zuständig. Diese reichen teils bis in den Großraum, da einige
Wanderwege bis in angrenzende Landkreise führen. Hinzu kommen in der Elbmetropole weitere Wanderrouten, die von anderen Institutionen initiiert wurden und von diesen markiert werden. Dazu zählen
das HamburgerTeilstück des beliebten Heidschnuckenwegs, der sogenannte Zweite Grüne Ring um Hamburg, der von der Hamburger Umweltbehörde betreut wird, Wege des Regionalparks Rosengarten südlich
der Stadt oder solche des Regionalparks Wedeler Au, die ebenfalls zum kleineren Teil in Hamburg verlaufen. Hinzu kommen vier Wege der Gesellschaft für ökologische Planung in der Boberger
Niederung, der Jakobsweg auf Hamburger Gebiet sowie der Weg „Hohes Elbufer“, der vom vom Stintfang bis Wittenbergen reicht. Letzter liegt in der Obhut des Vereins Hamburg Grüne Metropole am
Wasser.
Die Wanderfreunde Hamburg veranstalten ganzjährig geführte Themen-(Tages-)Wanderungen, an denen auch Nicht-Mitglieder teilnehmen können. Mehr zum Verein, Terminen von Gruppenwanderungen und mehr
unter www.wanderfreundehamburg.de und www.wanderverband-norddeutschland.de.
Weitere Tipps zum Wandern in Hamburg, ausgewählte Tourenvorschläge und mehr auch unter
www.hamburg.de/wandern-im-gruenen/
Stand aller Angaben: Sommer 2022