Im Frühherbst unterwegs auf Südseeland und Møn: Zwischen Kreide und Wald an Dänemarks höchsten Küsten

Weltberühmt und Unesco-Welterbe: die Steilküste Stevns Klint auf Seeland mit der alten Kirche Gl. Højerup Kirke. Foto: Christoph Schumann, 2023
Weltberühmt und Unesco-Welterbe: die Steilküste Stevns Klint auf Seeland mit der alten Kirche Gl. Højerup Kirke. Foto: Christoph Schumann, 2023

Christoph Schumann

 

Reportage. Südseeland/Møn (cs). Wer die beeindruckenden Höhen der schönsten dänischen Küsten erleben möchte, muss erst einmal tief hinab: Einige hundert Treppenstufen führt uns Tore Steenberg Reyhe an einem milden, spätsommerlichen Nachmittag im Frühherbst durch Buchenwälder hinunter an den Strand von Møns Klint. „Dort drüben liegt die Küste von Schonen“, zeigt der 39-jährige Naturguide über das leicht dunstige Meer hinüber nach Osten. Noch spektakulärer ist aber das, was sich gleich zu unserer Linken aus dem Steinstrand bis fast 130 Meter hoch erhebt: die weltberühmten Kreisefelsen von Møn, die in der herbstlichen Nachmittagssonne allerdings nur noch an wenigen Stellen leuchtend in der Sonne schimmern. Wir sind unterwegs auf dem jüngsten im wahrsten Sinn des Wortes ausgezeichneten Wanderweg Dänemarks: Der Rundweg „I Klintekongens Rige“ wurde im vergangenen Jahr vom Deutschen Wanderinstitut als Premium Wanderweg ausgezeichnet.

Ausgezeichnet vom Deutschen Wanderinstitut – der Rundwanderweg "I Klintekongens Rige"

„Das begehrte Siegel erhielt der vierzehn Kilometer lange Weg, weil Wanderer unterwegs auf alle natürlichen und kulturellen Sehenswürdigkeiten der Hügellandschaft von Høje Møn treffen“, erklärt Tore Steenberg, der auch weiß, was der Namensgeber der Tour durchs „Königreich des Klippenkönigs“ – so die deutsche Übersetzung – mit unserem Weg zu tun hat: „Der Sage nach soll Klippenkönig in einer großen Halle tief im Inneren der Steilküste wohnen. Seine Frau, die Königin, hat ja den höchsten Punkt von Møns Klint als Wohnsitz – der Fels Dronningestolen heißt ja übersetzt Königinnenstuhl oder -thron.“ Während wir am feuersteinreichen Strand zügig weitergehen, findet Tore immer wieder Versteinerungen wie Donnerkeile oder Seeigel. „Die verschiedenen Schichten in der Kreide sind rund 70 Millionen Jahre alt“, sagt der studierte Biologe Steenberg Reyhe. „Und wenn man bedenkt, dass es einhundert Jahre gedauert hat, bis sich ein Millimeter Kreide abgelagert hat, wird einem der für uns schwer vorstellbare Zeitraum erst bewusst.“ Dass die Kreide hier ähnlich wie auf Rügen oder am nahen Stevns Klint auf Seeland an der Oberfläche liegt, ist eine Folge der letzten Eiszeiten und der Gletschergewalten. Nach einer guten Stunde am Strand geht es für uns wieder hinauf zur „Bergspitze“ von Møn – die Wanderung durchs „Reiche des Klippenkönigs“ führt durch eine der hügeligsten Naturlandschaften, die Dänemark überhaupt besitzt. Darum sollte man für den Weg vorbei an Strand, durch Wälder, zu spektakulären Aussichtspunkten entlang der Steilküste, durch offene Felder und nicht zuletzt durch den romantischen Garten von Schloss Liselund auch mindestens fünf bis sechs Stunden einplanen, selbst wenn man gut zu Fuß ist.

Neues Erlebniscenter am Unesco-Welterbe: Stevns Klint Experience

Anders als die etwa einhundert Kilometer nördlich gelegene Steilküste von Stevns Klint ist ihr geologisches Pendant auf Møn übrigens kein Unesco-Welterbe, auch wenn die Verantwortlichen beharrlich an diesem Status arbeiten. Stevns Klint mit der kleinen Kirche von Højerup als Wahrzeichen hat diesen Status bereits seit 2014 wegen seiner weltweit einzigartigen Schicht aus sogenanntem Fischton: Die dünne Ablagerung in der bis zu 43 Meter hohen Kreideküste ist Beleg für einen katastrophalen Meteoriteneinschlag auf der Erde, der vor mehr als 66 Millionen Jahren zum Aussterben der Dinosaurier und einer grundlegenden Veränderung von Pflanzen- und Tierwelt führte. Die Klippe besteht insgeamt aus vier Schichten: Ganz unten liegt eine weiche Kreideschicht, darüber die Schicht aus Fischton, dann folgt harter Kalkstein und ganz oben sind Spuren aus der letzten Eiszeit zu entdecken. Was vor Millionen Jahren geschah lässt sich heute in der besonders für Familien mit Kindern geeigneten Ausstellung im 2022 eröffneten Erlebniszentrum Stevns Klint Experience nachempfinden. In dem auch architektonisch sehenswerten Museum im 1978 aufgegebenen Kalksteinbruch von Boesdal wird die dramatische Geschichte des Meteoriteneinschlags per Film auf einen riesigen Kalksteinblock projiziert. Und in der interaktiven Ausstellung mit Dinosaurierskeletten, Meteoriten und Fossilien lassen sich die Naturkräfte mit vielen interaktiven Spielen nacherleben.

Höchster Punkt Seelands: der Aussichtsturm Skovtårnet

Wer nach weiten Ausblicken von den schönsten Steilküsten des Landes noch nicht genug vom „Höhenrausch“ hat, kann seit kurzem Seelands höchsten Aussichtspunkt erklimmen: Genau 45 Meter hoch ist der „Skovtårnet“ im Wald von Schloss Gisselfeld bei Rønnede, wenige Autominuten von Stevns Klint entfernt. Der „Waldturm“ ist der Höhepunkt eines gut drei Kilometer langen Fußwegs durch den Wald des Familien- und Kletterparks Camp Adventure. Wer nach zwanzig Minuten auf Waldboden und über Holzstege das spektakuläre Bauwerk aus der Feder der dänischen Designer von Effekt Arkitekter erreicht, staunt über die mächtige und doch leicht wirkende Stahlkonstruktion. Über einen schneckenartigen Gang geht es hinauf. „Mit jeder Rund der zwölf Kreise stellt man fest, dass sich Natur und Architektur verändern“, beschreibt Lasse Kargaard von Camp Adventure das Erlebnis. „In der Mitte unseres Aussichtsturms schnürt sich die Sanduhrkonstruktion so eng zusammen, dass man beinahe drei Buchen berühren kann, die in der Mitte des Turms wachsen.“ Oben angelangt, stehen Besucher genau 135 Meter über dem Meeresspiegel – höher geht es nirgends auf ganz Seeland hinauf. Mit Glück und gutem Wetter kann man von oben kilometerweit über Dörfer, Wälder und Felder von Südseeland blicken. Bei ganz klarem Wetter lassen sich im Norden sogar die Øresundbrücke nach Schweden, das Hochhaus Turning Torso in Malmö und Teile von Kopenhagen erahnen.

Höher hinauf geht es auf der dänischen Insel Seeland nicht: der "Skovtårnet" bei Rønnede ist 45 Meter hoch. Foto: Christoph Schumann, 2023
Höher hinauf geht es auf der dänischen Insel Seeland nicht: der "Skovtårnet" bei Rønnede ist 45 Meter hoch. Foto: Christoph Schumann, 2023

Reiseinfos zur dänischen Destination Südseeland-Møn

Anreise

Die ostdänische Region Südseeland und Møn liegt beispielsweise von Hamburg überFehmarn rund 270 km entfernt (bis Rønnede auf Seeland). Bis zur Eröffnung des Fehmarnbelttunnels verkehren zwischen Puttgarden und Rødbyhavn auf Lolland die Fähren von Scandlines. Die Überfahrt dauert gut 45 min. (www.scandlines.de). Über den Land- und Brückenweg via Flensburg und Kolding in Jütland sowie Odense auf Fünen und die Großer-Belt-Brücke (Mautpflicht) sind es rund 400 km.

Tipps

Den vom Deutschen Wanderinstitut ausgezeichneten Wanderweg „Klintekongens Rige“ an der Steilküste Møns Klint erreicht man ab dem Schloss Liselund, Langebjergvej 4, 4791 Borre (kostenlose Parkmöglichkeit); www.klintekongensrige.dk/de/. Der „Skovtårnet“, dt. Waldturm, liegt im Camp Adventure, Skovtårnsvej 1, 4683 Rønnede, www.campadventure.dk/de/. Das neue Erlebniscenter an der Unesco-Küste von Stevns heißt Stevns Klint Experience, Boesdalsvej 14, 4673 Rødvig Stevns, www.stevnsklint.dk.

Allgemeine Informationen

zur Region, Natur- und Familienattraktionen, Übernachtungstipps und vieles mehr liefert die deutschsprachige Webseite von Süd-Seeland und Møn unter www.sudseeland-mon.de.

 

Meine Reise im September 2023 wurde freundlicherweise unterstützt von Südseeland-Møn/Sydsjælland-Møn und VisitDenmark, Dänemarks offizieller Tourismuszentrale